Türkei-Präsident siegessicher
Erdogan will bei Stichwahl «historischen Erfolg» erzielen

Der türkische Staatschef Tayyip Erdogan ist von seinem Sieg bei der Stichwahl um das Präsidentenamt in zwei Wochen überzeugt. Er werde «so Gott will, einen historischen Erfolg erzielen», schrieb Erdogan am Dienstag auf Twitter.
Publiziert: 16.05.2023 um 17:35 Uhr
Foto: Emrah Gurel

Sein Herausforderer, Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu, gab sich selbstbewusst und kämpferisch. Er lese aus dem Ergebnis von Sonntag eine Botschaft des Wandels, schrieb er auf Twitter. «Aber es ist auch klar, dass wir diejenigen sind, die viel härter kämpfen müssen, um so ein rücksichtloses Regime loszuwerden», so Kilicdaroglu. «Wir haben noch zwölf Tage, um diesen dunklen Tunnel zu verlassen.»

Die prokurdische Oppositionspartei HDP legte unterdessen Einspruch bei der Wahlbehörde gegen Ergebnisse in neun Bezirken ein.

Bei der Präsidentenwahl in der Türkei am Sonntag hatte Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan zwar die meisten Stimmen erhalten, verpasste aber die absolute Mehrheit knapp. Er muss nun am 28. Mai gegen den Zweitplatzierten, Kemal Kilicdaroglu, in einer Stichwahl antreten. Im Parlament konnte das Regierungsbündnis Erdogans vorläufigen Daten zufolge die Mehrheit halten.

Das Ergebnis bei der Präsidentenwahl überraschte viele. Umfragen hatten zwar eine Stichwahl vorausgesagt, Kilicdaroglu galt aber als Favorit. Zwischen Erdogan und seinem Gegner liegen rund 2,5 Millionen Stimmen, die die Opposition nun aufholen will. Eine Schlüsselrolle kommt dabei den Anhängern des drittplatzierten Sinan Ogan zu, der rund 2,8 Millionen Stimmen auf sich verbuchen konnte.

Die prokurdische HDP kritisierte, mehr als 2000 Stimmen seien in ihren Hochburgen fälschlicherweise dem Regierungsbündnis zugeschrieben worden. Sie legte dagegen Einspruch ein. Die HDP war wegen eines drohenden Parteiverbots bei der Wahl unter dem Banner der Grünen Linkspartei (YSP) angetreten. Insgesamt seien fälschlicherweise 1350 Stimmen der YSP an die ultranationalistische MHP gegangen und 229 an die islamisch-konservative AKP Erdogans, teilte die HDP mit. Noch bis Donnerstag nimmt die Wahlbehörde Einsprüche entgegen. Am Freitag will die sie dann die Endergebnisse bekanntgeben.

Der Koordinator der Wahlbeobachtermissionen von OSZE und Europarat, Michael Link, forderte mehr Chancengleichheit bei der Stichwahl. Es dürfe nicht der Fehler wiederholt werden, dass die Regierungsseite eindeutig in den Medien bevorzugt werde, sagte der FDP-Politiker dem «Tagesspiegel» (Dienstag).

Zur ersten Wahlrunde am vergangenen Sonntag sagte Link, es habe Unregelmässigkeiten gegeben, aber weniger am Wahltag selbst, sondern während des Wahlkampfes zuvor. «Diese Wahl wurde charakterisiert von einer ganz überragenden Präsenz von Präsident Recep Tayyip Erdogan in den Medien, und zwar durchweg positiv. Oppositionskandidat Kemal Kilicdaroglu hatte hingegen grosse Probleme, in den Medien vorzukommen. Gelang ihm das, war es meist negativ», sagte Link.

Ärger gab es um eine Entscheidung der Wahlbehörde, die Abstimmungsperiode in manchen Ländern für Auslandstürken zu verkürzen. Laut Mitteilungen betraf das vornehmlich Länder, in denen die Opposition in der ersten Runde vorn gelegen hatte - etwa die USA, Kanada und Grossbritannien. Auf Einspruch der Opposition, die dahinter System vermutete, wurde die Entscheidung jedoch wieder aufgehoben.

Der Exil-Journalist Can Dündar äusserte die Sorge, dass ein Sieg Erdogans in der zweiten Runde den sogenannten Braindrain verschärfen könnte. «Es wird einen Exodus brillanter Menschen geben», sagte Dündar der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Sein Telefon klingele bereits seit dem Morgen. Dündar lebt im Exil in Deutschland. Für ihn persönlich würde ein Sieg Erdogans weitere Jahre im Exil bedeuten, sagte er. Dündar war Chefredakteur der Zeitung «Cumhuriyet». Wegen eines Artikels zu Waffenlieferungen des türkischen Geheimdiensts nach Syrien war er vor drei Jahren zu einer langen Haftstrafe verurteilt worden.

Insgesamt waren bei der Wahl am Sonntag rund 64 Millionen Menschen zur Stimmabgabe aufgerufen, davon rund 3,4 Millionen im Ausland.

(SDA)

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