Die Türkei hat ihre Luftangriffe gegen Stellungen der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) fortgesetzt. Kampfjets bombardierten in der Nacht auf heute Mittwoch erneut Ziele im Nordirak und im Südosten der Türkei, wie die Regierung in Ankara mitteilte. Im Nordirak seien «Unterstände, Lager, logistische Basen und Höhlen» der PKK zerstört worden. Insgesamt habe man sechs Ziele angegriffen.
Die Armee fliegt seit vergangener Woche Angriffe gegen die kurdischen Rebellen, die am Dienstag auch auf den Südosten der Türkei ausgeweitet wurden.
Türkei macht Weg für US-Militärs frei
Ab sofort können ausserdem die USA die Militärbasis Incirlik nahe der Grenze zu Syrien für Luftangriffe gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) dort nutzen. Die türkischen Behörden gaben den Weg dafür frei. Das Dekret dazu sei unterzeichnet worden, hiess es aus Regierungskreisen. Dies hatte die Türkei lange verweigert.
Bei einer Explosion im Südwesten der Türkei wurde am Mittwoch nach Angaben der türkischen Regierung eine Ölleitung beschädigt. In der Region war es in den vergangenen Tagen zu Zusammenstössen der Armee mit PKK-Kämpfern gekommen. Die Pipeline transportiert Öl von Kirkuk im nordirakischen Kurdengebiet zum türkischen Hafen Ceyhan.
«Doppelter Krieg gegen den Terrorismus»
Die Türkei hat einen doppelten «Krieg gegen den Terrorismus» ausgerufen, der sich gegen die verbotene PKK und die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) richten soll. Ankara stuft beide als «Terrororganisationen» ein. Anlass war ein Anschlag mit 32 Toten auf eine prokurdische Versammlung in Suruç an der Grenze zu Syrien.
Die Regierung machte die IS-Miliz verantwortlich, die PKK griff danach aber türkische Sicherheitskräfte an, weil sie Ankara vorwirft, die Islamisten zu unterstützen.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte den Friedensprozess mit der PKK am Dienstag für beendet erklärt. Über den neuen Kurs der Regierung gegen die PKK sowie gegen den IS beriet am Mittwoch das Parlament in Ankara. Die islamisch-konservative Regierung will in einer Erklärung die Unterstützung des Parlaments erreichen.
Absolute Mehrheit verloren
Kritiker werfen Erdogan vor, mit Blick auf vorgezogene Neuwahlen absichtlich Spannungen zu schüren. Seine konservativ-islamische Partei AKP hatte bei der Wahl im Juni ihre absolute Mehrheit verloren.
Erdogan macht Front gegen die legale Partei der Demokratie der Völker (HDP), die als erste Kurdenpartei den Sprung über die Zehnprozent-Hürde geschafft hatte und nun mit 80 Abgeordneten im Parlament von Ankara vertreten ist.
Der türkische Staatschef fordert die Aufhebung der parlamentarischen Immunität von HDP-Chef Selahattin Demirtas und anderen führenden Parteifunktionären. Türkische Nationalisten verlangen zudem ein Verbot der HDP - in den vergangenen Jahrzehnten hatte die Türkei bereits mehrere Kurdenparteien wegen Nähe zur PKK aufgelöst.
Erbitterter Kampf gegen die Kurden
Die Luftangriffe auf die PKK sind nach türkischer Darstellung eine Reaktion auf Gewalttaten der kurdischen Aufständischen. Nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Dogan zum Beispiel kam am Mittwoch ein weiterer türkischer Soldat ums Leben. Der Angriff gehe vermutlich auf die PKK zurück.
Das türkische Vorgehen gegen die kurdische Gruppe ist jedoch deutlich heftiger als die gegen die IS-Terrormiliz. Trotz internationaler Appelle zur Mässigung geht die türkische Regierung mit aller Härte gegen politische Gegner vor. Mehr als 1300 Verdächtige nach offiziellen Angaben innerhalb weniger Tage festgenommen - nach kurdischen Angaben meist Mitglieder kurdischer und linker Gruppen.
Das schürt bei vielen Kurden den Verdacht, dass Erdogan in Wirklichkeit die innenpolitische Opposition ausschalten und die Kurden-Bewegung auch mit Blick auf mögliche Neuwahlen schwächen will.
Die Türkei hatte sich erst nach langem Zögern an den Angriffen gegen die IS-Terrormiliz beteiligt, der grosse Teile Syriens und des Irak beherrscht. Mit den USA arbeitet die Regierung Pläne für eine «Schutzzone» im Norden Syriens an der Grenze zur Türkei aus. Dort soll der IS vertrieben und Raum geschaffen werden, um syrische Bürgerkriegsflüchtlinge zurückzubringen. (gr/SDA)