Türkei
Erdogan will baldige Neuwahlen in der Türkei

Istanbul – Nach dem Scheitern der Koalitionsverhandlungen in der Türkei zwischen Regierungspartei AKP und der Opposition steht das Land vor Neuwahlen. Präsident Recep Tayyip Erdogan sagte am Mittwoch im Fernsehen, die Befragung des Volkes sei der einzige Ausweg aus der Blockade.
Publiziert: 19.08.2015 um 17:44 Uhr
|
Aktualisiert: 11.10.2018 um 11:20 Uhr

Nach gescheiterten Gesprächen mit der oppositionellen kemalistischen CHP hatte Ministerpräsident Ahmet Davutoglu am Dienstagabend den Auftrag zur Regierungsbildung zurückgegeben.

Als Vorsitzender der islamisch-konservativen AKP, die bei der Wahl im Juni ihre absolute Mehrheit verloren hatte, aber immer noch stärkste Kraft geworden war, war Davutoglu als erster mit der Regierungsbildung beauftragt worden. Doch konnte er keine Partner für eine Koalition gewinnen, auch die Gespräche mit der säkularen CHP scheiterten.

Erdogan entschied sich nun dagegen, den CHP-Vorsitzenden Kemal Kilicdaroglu als Chef der zweitstärksten Partei mit der Regierungsbildung zu beauftragen.

«Ich habe keine Zeit mit jenen zu verlieren, die die Adresse Bestepe nicht kennen», sagte Erdogan mit Blick auf die Adresse des Präsidentenpalastes in Ankara. Kilicdaroglu weigert sich, den pompösen neuen Palast zu betreten, der aus Sicht der Opposition illegal ist.

Nach Ansicht von Beobachtern strebt Erdogan bereits seit Wochen Neuwahlen an, um für die AKP die absolute Mehrheit zurückzuerlangen, um so doch noch seine Pläne zur Stärkung der Macht des Präsidenten zu realisieren.

Erdogan dürfte nun nach Verstreichen der 45-Tage-Frist zur Regierungsbildung am Sonntag für Oktober oder November Neuwahlen ansetzen und Davutoglu um die Bildung einer Übergangsregierung bitten.

Gemäss der Verfassung müssen der Übergangsregierung alle im Parlament vertretenen Parteien angehören. Damit würde mit der HDP erstmals eine Kurdenpartei Minister in einer türkischen Regierung stellen. Auf die Partei würden drei Ministerposten entfallen.

Zwei Angreifer schossen am Mittwoch vor dem Dolmabahce-Palast in Istanbul auf Polizisten. Die mit Gewehren und Handgranaten bewaffneten Angreifer gehörten einer Terrorgruppe an und seien festgenommen worden, erklärte die Stadtregierung am Mittwoch. Ein Polizist wurde leicht verletzt.

Der aus der Zeit des Osmanischen Reiches stammende Palast ist eine Touristenattraktion. Er dient auch als Amtssitz des Ministerpräsidenten in Istanbul. Regierungschef Ahmet Davutoglu hielt sich zum Zeitpunkt des Zwischenfalls allerdings in der Hauptstadt Ankara auf.

Die Nachrichtenagentur DHA meldete, nahe dem deutschen Generalkonsulat seien zwei mit automatischen Waffen bewaffnete Verdächtige gefasst worden.

Am Dienstagabend war bereits ein junger Mann bei Auseinandersetzungen mit der Polizei getötet worden. Rund 20 Menschen hätten im Bezirk Esenler eine nicht genehmigte Demonstration abhalten wollen und das Feuer auf die Polizei eröffnet, berichtete die amtliche Nachrichtenagentur Anadolu.

Demnach gehörten sie zur Revolutionären Patriotischen Jugendbewegung (YDG-H), dem Jugendverband der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Die Demonstranten sollen maskiert gewesen sein und Brandsätze sowie Material zum Bau von Sprengsätzen bei sich gehabt haben. Vier Menschen seien festgenommen worden, während die übrigen in die Seitenstrassen entkommen seien.

Das Verhältnis der Kurden zu den Sicherheitskräften ist stark angespannt, seitdem die Regierung und die PKK-Guerilla ihre Waffenruhe aufgekündigt haben. Am Mittwoch kamen bei einem Angriff der kurdischen PKK-Guerilla auf eine Militärpatrouille acht türkische Soldaten im Südosten des Landes ums Leben.

Der jahrzehntelange Konflikt war erneut eskaliert, nachdem die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) im Grenzort Suruç einen Selbstmordanschlag auf prokurdische Freiwillige verübt hatte. Die Kurden gaben der Regierung in Ankara eine Mitschuld an dem Anschlag, weil sie zu lange nichts gegen die Extremisten unternommen habe. Die Regierung startete daraufhin eine Doppeloffensive gegen die IS-Miliz sowie die PKK, wobei weitaus die meisten Angriffe den Kurden gelten.

Fehler gefunden? Jetzt melden