Türkei - Deutschland
Keine türkischen Wahlkampfauftritte in Deutschland vor Referendum

Köln – Ende des türkischen Wahlkampfs in Deutschland: Nach wochenlangem Streit verzichtet die Türkei bis zum Verfassungsreferendum am 16. April auf weitere Auftritte von Regierungspolitikern.
Publiziert: 21.03.2017 um 16:33 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 08:25 Uhr
Der Wahlkampfauftritt des türkischen Aussenministers Cavusoglu in Hamburg hatte für Wirbel gesorgt. Nun soll es keine Auftritte türkischer Minister in Deutschland mehr geben bis zum Verfassungsreferendum in der Türkei am 16. April. (Archiv)
Foto: KEYSTONE/AP dpa/DANIEL REINHARDT

«Alle zukünftigen Veranstaltungen, die geplant waren, sind abgesagt», sagte eine Sprecherin der in Köln ansässigen Koordinationsstelle der AKP im Ausland am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP.

Die Entscheidung sei in Ankara getroffen worden, sagte die Sprecherin. Weitere Auftritte von Ministern seien nicht geplant gewesen, aber Informationsveranstaltungen von AKP-Abgeordneten. Auch diese fänden nicht statt. Ein Auftritt von Präsident Recep Tayyip Erdogan sei nicht geplant gewesen.

Zuvor hatte bereits der Vorsitzende der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD), Zafer Sirakaya, in der «Wirtschaftswoche» weitere Auftritte türkischer Regierungsmitglieder ausgeschlossen.

Die UETD ist ein als AKP-nah geltender Verein, der sich als überparteiliche Organisation der in Europa lebenden Türken und türkischstämmigen Bürger versteht. Die «Koordinationsstelle der AKP im Ausland» gehört nach Angaben aus der UETD dagegen unmittelbar zur türkischen Regierungspartei.

Die Türkinnen und Türken stimmen am 16. April über eine Verfassungsreform ab, die weitreichende Befugnisse für Erdogan vorsieht. Die in Deutschland und auch in der Schweiz lebenden Türken dürfen an der Abstimmung teilnehmen.

Die türkische Führung liegt mit Deutschland und anderen europäischen Staaten im Streit, weil türkische Politiker dort auf Wahlkampfauftritten für das Referendum werben wollen. In einigen Ländern, wie etwa in den Niederlanden, wurde es ihnen untersagt.

In der Schweiz wurde ein Auftritt des türkischen Aussenministers Mevlüt Cavusoglu vom Veranstalter abgesagt - die Schweizer Regierung verbot Wahlkampfauftritte aber nicht grundsätzlich.

Erdogan greift Europa und besonders Deutschland wegen dem Streit immer wieder scharf an. Am Sonntag hatte er der deutschen Kanzlerin Angela Merkel sogar persönlich «Nazi-Methoden» vorgeworfen. Die Kanzlerin forderte daraufhin am Montag, Nazi-Vergleiche müssten «ohne Wenn und Aber» aufhören. Sie drohte sogar indirekt mit einem Einreiseverbot für türkische Politiker bei Verstössen gegen deutsches Recht.

Deutschlands Aussenminister Sigmar Gabriel machte nun am Dienstag erstmals klar, dass er die Nazi-Vorwürfe für einen solchen Rechtsverstoss hält. Der SPD-Politiker verwies auf Paragraf 90a des Strafgesetzbuches, nach dem eine Beschimpfung oder Verächtlichmachung der Bundesrepublik oder ihrer Verfassung strafbar ist. Gabriel erklärte, die Türkei sei in einer Verbalnote auf die Einhaltung der deutschen Rechtsordnung hingewiesen worden.

Die deutsche Regierung hat die Möglichkeit, türkischen Regierungsmitgliedern die Einreise zu verweigern. Sie hat davon bisher aber keinen Gebrauch gemacht, sondern es den Gemeinden überlassen, bei Sicherheitsbedenken im Einzelfall Wahlkampfauftritte zu unterbinden.

Erdogan sagte in Ankara, Europa könne der Türkei nicht mehr drohen. «Von wegen Beitrittsprozess mit der Europäischen Union oder Rücknahmeabkommen. Dies oder jenes. Mit keinem davon können sie uns mehr drohen. Damit ist es nun vorbei», sagte er weiter und liess dabei offen, ob er damit die Drohungen oder das Abkommen beziehungsweise den Beitrittsprozess meint.

Nach Ansicht des EU-Erweiterungskommissars Johannes Hahn wird ein EU-Beitritt der Türkei «immer unrealistischer». Der autoritäre Kurs Erdogans und die geplante Verfassungsänderung seien «eine Abkehr von Europa», sagte er der «Bild»-Zeitung.

Die Türkei bewege sich «seit Längerem immer weiter weg von der EU». Hahn schloss nicht aus, dass die EU-Staaten bald über einen möglichen Abbruch der Beitrittsverhandlungen mit Ankara beraten könnten.

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