Er appellierte an die drei im Parlament vertretenen Oppositionsparteien, dabei mit der AKP zusammenzuarbeiten. «Lassen wir die Putschverfassung hinter uns, und fassen wir alle zusammen mit an für eine zivile und freiheitliche Verfassung», sagte Davutoglu laut der Nachrichtenagentur Anadolu.
Eine Verfassungsreform zur Einführung eines Präsidialsystems ist erklärtes Ziel von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan und der von ihm mitgegründeten AKP. Die derzeitige Verfassung stammt aus der Zeit der Militärherrschaft nach dem Putsch von 1980.
Für ein Referendum über eine Verfassungsreform sind 330 Abgeordnete nötig - 13 mehr, als die AKP nach der Wahl im Parlament haben wird. Die drei Oppositionsparteien - die Mitte-Links-Partei CHP, die pro-kurdische HDP und die ultrarechte MHP - sind strikt gegen ein Präsidialsystem. Sie befürchten eine autokratische Herrschaft Erdogans.
Nach der Neuwahl zum Parlament wird in Ankara mit einer zügigen Regierungsbildung gerechnet. Entgegen allen Vorhersagen der Meinungsforscher konnte Erdogans AKP bei der Wahl mit knapp 50 Prozent der Stimmen die vor fünf Monaten verlorene absolute Mehrheit zurückerobern.
Erdogan beglückwünschte die AKP - der er formal nicht mehr angehört, für die er aber Wahlkampf gemacht hatte - am Montag zu ihrer Alleinregierung. Nach den vorläufigen Ergebnissen sicherte sich die AKP 317 der 550 Sitze in der Nationalversammlung. Die CHP kommt demnach auf 134, die HDP auf 59 und die MHP auf 40 Abgeordnete.
Bei der Wahl im Juni hatte die AKP ihre absolute Mehrheit erstmals seit Übernahme der Regierung im Jahr 2002 verloren. Nachdem Koalitionsgespräche gescheitert waren, rief Erdogan Neuwahlen aus. Die Opposition warf dem Präsidenten vor, eine Koalition mit der CHP gezielt verhindert zu haben, um Neuwahlen zu erzwingen und die absolute Mehrheit zurückzuerobern.
Die EU-Kommission reagierte in knappen Worten auf das Wahlergebnis. Die Wahl habe den Willen der türkischen Bevölkerung zu demokratischen Prozessen verdeutlicht, teilten die Aussenbeauftragte Federica Mogherini und der für Nachbarschaftspolitik zuständige EU-Kommissar Johannes Hahn am frühen Montag in Brüssel mit.
Die EU-Vertreter stellten der künftigen Regierung eine enge Kooperation in Aussicht. «Die EU wird mit der zukünftigen Regierung zusammenarbeiten, um die Partnerschaft zwischen der EU und der Türkei weiter zu stärken und die Kooperation in allen Bereichen zum Wohle der Bürger auszubauen», kommentierten Hahn und Mogherini.
Der abtretende Schweizer SP-Nationalrat Andreas Gross, der als Wahlbeobachter des Europarats in der Türkei weite, übte derweil Kritik. Die Türken hätten zwar die freie Wahl zwischen verschiedenen Parteien gehabt, sagte Gross am Montag im Deutschlandradio Kultur. Von einer «Fairness des Prozesses» könne aber nicht die Rede sein.
Seit der Wahl im Juni habe es viel Gewalt gegeben, Journalisten seien eingeschüchtert, Zeitungen und Fernsehsender dichtgemacht worden, kritisierte Gross. Das habe auch zu Selbstzensur geführt. Die Gewalt habe zudem den Wahlkampf behindert.