Die Blockade ist vorbei: Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan (69) macht den Weg für den schwedischen Nato-Beitritt frei. Das gab Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg bekannt. Demnach wolle Erdogan den schwedischen Antrag ohne weitere Forderungen an das Parlament geben.
Erdogan habe bei einem Treffen mit dem schwedischen Regierungschef Ulf Kristersson zugestimmt, das Beitrittsprotokoll so bald wie möglich dem türkischen Parlament vorzulegen, sagte Stoltenberg am Montagabend auf einer Pressekonferenz in Vilnius.
Zuvor hatte der türkische Präsident den Beitritt von einer Bedingung abhängig gemacht. Erdogan sagte, er habe auch Biden seine Haltung zu Schweden und die Verbindung zu den EU-Beitrittsgesprächen für die Türkei deutlich gemacht: «Das habe ich gesagt.» Die türkische Präsidentschaft hatte zu dem Telefonat zuvor bekannt gegeben, Erdogan habe dabei gesagt, Schweden habe «einige Schritte in die richtige Richtung unternommen».
Der Frage, wann der Nato-Betritt Schwedens vollzogen sein könnte, wich Stoltenberg allerdings aus. Er wiederholte nur, dass es eine klare Zusicherung gebe, die Ratifikationsdokumente dem Parlament zuzuleiten. Die türkische Führung blockiert den schwedischen Beitritt seit gut einem Jahr. Sie verweist darauf, dass das skandinavische Land nicht ausreichend gegen «Terrororganisationen» vorgehe – dabei geht es ihr vor allem um die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK. Dass Ende Juni erstmals seit Monaten wieder ein Koran bei einer Demonstration in Stockholm angezündet worden war, belastete das Verhältnis zu Ankara zuletzt zusätzlich.
US-Präsident Joe Biden hat die Entscheidung der Türkei begrüsst, ihre Blockade des schwedischen Nato-Beitritts aufzuheben. Er freue sich darauf, Schweden als 32. Nato-Mitglied willkommen zu heissen, sagte Biden in einer Stellungnahme. Weiter teilte er mit, dass er nun bereit sei, mit Erdogan zusammenzuarbeiten, um die Verteidigung und Abschreckung im euro-atlantischen Raum zu stärken.
Die Türkei strebt seit langem eine Modernisierung ihrer Kampfjet-Flotte an. Sie hatte von den USA unter anderem den Verkauf von 40 amerikanischen F-16-Kampfjets gefordert. Biden machte am Sonntag deutlich, dass er im Rüstungsverkauf ein Mittel sehe, um die türkische Blockade des schwedischen Nato-Beitritts zu lösen.
Bislang hatte die US-Regierung stets betont, dass sie die von der Türkei angestrebte Modernisierung ihrer F-16-Flotte unterstütze, es sich dabei aber nicht um eine Gegenleistung für die Zustimmung des Landes zur Nato-Norderweiterung handele.
US-Präsident Joe Biden hat die Entscheidung der Türkei begrüsst, ihre Blockade des schwedischen Nato-Beitritts aufzuheben. Er freue sich darauf, Schweden als 32. Nato-Mitglied willkommen zu heissen, sagte Biden in einer Stellungnahme. Weiter teilte er mit, dass er nun bereit sei, mit Erdogan zusammenzuarbeiten, um die Verteidigung und Abschreckung im euro-atlantischen Raum zu stärken.
Die Türkei strebt seit langem eine Modernisierung ihrer Kampfjet-Flotte an. Sie hatte von den USA unter anderem den Verkauf von 40 amerikanischen F-16-Kampfjets gefordert. Biden machte am Sonntag deutlich, dass er im Rüstungsverkauf ein Mittel sehe, um die türkische Blockade des schwedischen Nato-Beitritts zu lösen.
Bislang hatte die US-Regierung stets betont, dass sie die von der Türkei angestrebte Modernisierung ihrer F-16-Flotte unterstütze, es sich dabei aber nicht um eine Gegenleistung für die Zustimmung des Landes zur Nato-Norderweiterung handele.
Vor seinem Abflug nach Vilnius machte Erdogan seine Zustimmung dann überraschend von einer eine Belebung der Beitrittsgespräche der Türkei zur EU abhängig. «Ebnet zunächst den Weg der Türkei in die Europäische Union, danach ebnen wir den Weg für Schweden, so wie wir ihn für Finnland geebnet haben», sagte er in Istanbul an die EU-Länder gerichtet. Von dieser Position rückte er nun offenbar ab.
«Türkei hat 50 Jahre lang vor der Tür der EU gewartet»
Neben Ungarn ist die Türkei das einzige der 31 Nato-Länder, dessen Parlament den Beitrittsgesuch Schwedens noch nicht ratifiziert hat. Die Türkei wirft Schweden vor, Zufluchtsort für «Terroristen» zu sein, womit vor allem Mitglieder der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gemeint sind. Zudem äusserte Erdogan zuletzt scharfe Kritik an einer Koran-Verbrennung in Stockholm.
Die Türkei hatte 1987 erstmals die Mitgliedschaft in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft beantragt – einem Vorläufer der EU. 1999 wurde sie zum EU-Beitrittskandidaten ernannt, 2005 wurden offizielle Beitrittsverhandlungen aufgenommen. Nach dem gescheiterten Militärputsch gegen Erdogan 2016 und den folgenden Massenverhaftungen und anderen Menschenrechtsverletzungen legte die EU den Prozess dann auf Eis.
«Ich möchte eine Tatsache unterstreichen. Die Türkei hat 50 Jahre lang vor der Tür der EU gewartet», sagte Erdogan nun. «Fast alle Nato-Mitglieder sind auch EU-Mitglieder. Ich wende mich nun an diese Länder, die die Türkei seit über 50 Jahren haben warten lassen, und ich werde mich erneut an sie in Vilnius wenden.»
Diskussionen um Beitrittsperspektive für die Ukraine
Weitere Diskussionen gab es am Montag über die Nato-Beitrittsperspektive für die Ukraine. Deutschland erteilte dem ukrainischen Wunsch nach einer formellen Einladung in die Nato eine klare Absage. «Für eine Einladung der Ukraine, für konkrete Schritte in Richtung Mitgliedschaft (ist) der Zeitpunkt nicht da. Hierfür gibt es auch unter den Verbündeten keinen Konsens», hiess es aus Regierungskreisen.
Stoltenberg räumte am Montag ein, dass noch keine endgültige Entscheidung über die Beitrittsperspektive der Ukraine getroffen wurde, die sich seit 16 Monaten gegen einen Angriffskrieg Russlands verteidigt. Konsultationen über die Bedingungen für den Weg der Ukraine zur Nato-Mitgliedschaft seien weiterhin im Gang, sagte er nach einem Treffen mit Litauens Staatspräsident Gitanas Nauseda.
Unterstützung für die Ukraine
Länder wie die USA, Deutschland und Grossbritannien wollen zudem nach Angaben von Diplomaten einen umfassenden Rahmen für neue Sicherheitszusagen schaffen. So sind die USA nach Angaben von Präsident Joe Biden bereit, der Ukraine nach einem Ende des russischen Angriffskriegs ähnlichen Schutz zu bieten wie Israel.
Die USA unterstützen Israel jedes Jahr mit rund 3,8 Milliarden US-Dollar – davon geht ein beachtlicher Teil in die Abwehr von Raketen und Militärtechnik. Deutschland will der Ukraine beim Nato-Gipfel weitere Waffenlieferungen in grösserem Umfang zusagen. Es werde dort «sehr substanzielle» Ankündigungen geben, hiess es aus deutschen Regierungskreisen in Berlin.
Gipfel soll Abschreckung und Verteidigung voranbringen
Bereits am Montagabend nahmen die Nato-Staaten in einem schriftlichen Verfahren neue Pläne für die Abwehr von möglichen russischen Angriffen auf das Bündnisgebiet an. Die Entscheidung soll an diesem Dienstag von den Staats- und Regierungschefs noch einmal bestätigt und dann offiziell verkündet werden.
Die insgesamt mehr als 4000 Seiten starken Verteidigungspläne beschreiben nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur detailliert, wie kritische Orte im Bündnisgebiet durch Abschreckung geschützt und im Ernstfall verteidigt werden sollten. Dafür wird auch definiert, welche militärischen Fähigkeiten notwendig sind. Neben Land-, Luft-, und Seestreitkräften sind auch Cyber- und Weltraumfähigkeiten eingeschlossen.
Umgesetzt werden sollen die Pläne unter anderem mithilfe einer neuen Streitkräftestruktur. So hatte Generalsekretär Jens Stoltenberg bereits beim Nato-Gipfel im vergangenen Jahr angekündigt, dass künftig 300'000 Soldatinnen und Soldaten für mögliche Nato-Einsätze in hoher Bereitschaft gehalten werden sollten. Bislang war bei der Nato für schnelle Kriseneinsätze vor allem die Eingreiftruppe NRF vorgesehen. Für diese stellen die Mitgliedstaaten derzeit circa 40'000 Soldatinnen und Soldaten.
Da der Ausbau der militärischen Fähigkeiten Unmengen an Geld kostet, haben sich die Nato-Staaten bereits im Vorfeld des Gipfels darauf verständigt, das gemeinsame Ziel für die nationalen Verteidigungsausgaben zu verschärfen. Angestrebt wird demnach künftig, mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts auszugeben.
Drohungen aus Moskau
Mit Spannung wird erwartet, wie der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski auf den zu erwartenden Kompromiss zur Aufnahmeperspektive reagieren wird. Er hatte zuletzt immer wieder eine konkrete Beitrittseinladung für sein Land gefordert und sein Kommen zum Gipfel von einer offenen Diskussion darüber abhängig gemacht. Selenski wird von der Nato an diesem Mittwoch in Vilnius erwartet. Für diesen Tag ist auch das erste Treffen des neuen Nato-Ukraine-Rates auf Ebene der Staats- und Regierungschefs geplant.
Aus Russland kamen unterdessen Drohungen. Ein Nato-Beitritt der Ukraine werde «sehr negative Folgen für die gesamte und ohnehin schon halbzerstörte Sicherheitsarchitektur Europas haben und eine absolute Gefahr und Bedrohung für unser Land darstellen», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow russischen Nachrichtenagenturen zufolge. Ein solcher Schritt würde von russischer Seite eine «ziemlich harte und verständliche Reaktion erfordern», fügte Peskow hinzu. (AFP/SDA/jwg/neo)