Tanker werden angriffen, eine Drohne wird abgeschossen, Sanktionen werden verschärft. Der Iran-Konflikt eskaliert zunehmend.
Letzte Woche trennten angeblich nur noch zehn Minuten die USA und den Iran von einem offenen Krieg. Die Kampfjets seien schon in der Luft, die Schiffe auf Position gewesen. Sagt jedenfalls US-Präsident Donald Trump (73), der in letzter Sekunde den Angriff abgeblasen habe. Dafür verschärfte er die Sanktionen, die Teheran nun den Atem abschnüren. In einer TV-Ansprache giftete Staatspräsident Hassan Rohani (70) am Dienstagabend gegen seinen US-Amtskollegen. Er nannte Trump «geistig behindert». Die beiden Länder befinden sich in einer Eskalationsspirale, aus der derzeit kein Ausweg ersichtlich ist.
Die Tragik dabei: Keiner der hitzköpfigen Regierungschefs will wirklich einen Krieg, US-Präsident Donald Trump nicht und Irans Staatspräsident Hassan Rohani (70) auch nicht. In beiden Ländern ist die Angst vor Krieg viel grösser als die Kriegslüsternheit. Doch im Hintergrund heizen zwei Hardliner den Konflikt kräftig an.
Trump-Einflüsterer Bolton will den Regierungssturz
Auf Seiten der USA steht Trumps Sicherheitsberater John Bolton (70). Ein Falke, einer der Architekten des Irak-Kriegs. Er will einen Regime-Wechsel im Iran – mit allen Mitteln. 2015 sagte er, «die beste Lösung, das iranische Atomprogramm loszuwerden, ist die Ayatollahs loszuwerden». Eine seiner liebsten Redensarten ist: «Wenn du Frieden willst, bereite dich auf den Krieg vor.» Offenbar hat er für eine mögliche Invasion bereits alte Pläne aus dem Irak-Krieg aus der Schublade geholt.
Im Iran sitzt Boltons Gegenspieler – nicht weniger gefährlich und keinesfalls zu unterschätzen: Kassem Soleimani (62). Der Generalmajor leitet eine iranische Elitetruppe, die für «Sondereinsätze» im Ausland zuständige Al-Kuds-Brigaden, und hat sich ganz regimetreu der islamischen Revolution verschrieben. Bislang hat er noch alle seine Drohungen wahr gemacht. In der ganzen Region hat er schiitische Milizen ausgebildet, sie bereitet er wohl bereits auf einen Krieg gegen die USA vor.
Soleimani zieht seine Verbündeten zusammen
Das Gefährliche ist: Staatspräsident Rohani kann Soleimani nicht im Zaum halten. Er befiehlt nur die Armee, nicht die Iranische Revolutionsgarde. «Im Iran gibt es immer Akteure hinter den Kulissen», erklärt Iran-Experte Urs Gösken von der Universität Zürich. «Die Sicherheitskräfte im Iran sind allerdings nicht dem Präsidenten unterstellt, sondern dem Revolutionsführer.» Er untersteht also Ayatollah Ali Chamenei – dem Mann, den Bolton loswerden will.
Im Iran nimmt der Frust derweil zu. «Diejenigen, die schon immer gegen das Atomabkommen waren, bekommen nun auch Unterstützung von ehemaligen Befürwortern», sagt Gösken. Es gebe ein «allgemeines Nachdenken» darüber, welcher Sinn ein Vertrag mit den USA – und auch der EU – überhaupt habe, nachdem die Amerikaner das Atomabkommen einseitig aufgekündet haben – und die Europäer offensichtlich nicht in der Lage sind, irgendetwas zu drehen.
Kleine Provokation könnte offenen Krieg auslösen
Das Regime in Teheran hat nun angekündigt, mehr Uran anzureichern. Das provoziert die USA, während Europa fieberhaft seine Vermittlerrolle sucht. Doch der Konflikt ist festgefahren, alle Kommunikationskanäle zwischen den USA und dem Iran sind unterbrochen. Der Iran steht zudem unter enormem wirtschaftlichem Druck. Die jüngsten Sanktionen haben Finanztransaktionen in oder aus dem Iran unmöglich gemacht, die Kauflust im Land sinkt.
Volker Perthes, Direktor der Stiftung für Wissenschaft und Politik in Berlin, warnt im «Handelsblatt», was passieren könnte, wenn beispielsweise ein iranisches Schnellboot aus Provokation auf ein amerikanisches Kriegsschiff zurase. «Kein amerikanischer Kapitän wird in der explosiven Lage sagen: Schauen wir mal, wie weit sie sich herantrauen. Er wird vorher reagieren, und dann ist die Lage nur noch schwer zu kontrollieren.»
Ein Horrorszenario.