Schimpfen mit Merkel, kuschen vor Putin
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Unvorbereitet und beleidigend:Trumps geheime Telefongespräche veröffentlicht

Trumps geheime Telefongespräche veröffentlicht
Schimpfen mit Merkel, kuschen vor Putin

Neue Enthüllungen bringen Donald Trump weiter unter Druck: CNN gelang es, an die privaten Gesprächsprotokolle des US-Präsidenten mit anderen Staats- und Regierungschefs zu kommen. Die Telefonate zeigen Trump als äusserst unvorbereitet, unwissend und aufbrausend.
Publiziert: 30.06.2020 um 11:52 Uhr
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Aktualisiert: 30.06.2020 um 16:09 Uhr
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Keine Ahnung und beleidigend: Donald Trump trifft am Telefon oft den Ton nicht.
Foto: Getty
Guido Felder

Wenn US-Präsident Donald Trump (74) mit Staats- und Regierungschefs telefoniert, tut er das oft völlig unvorbereitet und in einem Ton, der alles andere als diplomatisch ist. Vor allem Frauen mussten Schimpftiraden über sich ergehen lassen – so etwa die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (65) und die ehemalige britische Premierministern Theresa May (63). Beim russischen Präsidenten Wladimir Putin (67) und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan (66) hingegen musste Trump mit Selbstbeweihräucherung von seiner Unwissenheit ablenken.

Journalist Carl Bernstein (76), der schon die Hintergründe der Watergate-Affäre aufgedeckt hatte, schreibt auf CNN über die Amok-Telefonate von Trump. Er bezieht sich dabei auf unterschiedliche Quellen, die er während einer Recherchezeit von vier Monaten ausgewertet hat.

Merkel ist «dumm»

Die belehrenden und verunglimpfenden Gespräche mit Merkel und May beschreiben Quellen als «fast sadistisch». «Einige der Dinge, die er zu Angela Merkel sagte, sind einfach unglaublich: Er nannte sie ‹dumm› und beschuldigte sie, in der Hand der Russen zu sein. Er ist mit denen am härtesten, die er als Schwächlinge betrachtet und am weichsten mit jenen, mit denen er hart sein sollte.»

Ein deutscher Beamter bestätigt Bernstein, dass man in Berlin besondere Massnahmen ergriffen habe, um die «so ungewöhnlichen» Gesprächsinhalte geheim zu halten. Der Beamte beschreibt Trumps Verhalten gegenüber Merkel als «sehr aggressiv». Merkel habe aber auf die verbalen Attacken aus dem Weissen Haus mit gewohnt stoischer Ruhe reagiert und mit Fakten geantwortet. «An ihr perlten die Vorwürfe ab wie das Wasser vom Rücken einer Ente», sagt eine Quelle.

May wurde nervös

Anders Theresa May, die von 2016 bis 2019 Grossbritanniens Premierministerin war. Trumps Schimpftiraden gegen sie werden als «demütigend und mobbend» beschrieben. Vor allem bei den Themen Brexit, Nato und Migration bezeichnete der amerikanische Präsident May am Telefon als «dumm» und rückgratlos. «Er hat sie eindeutig eingeschüchtert», berichtet eine Quelle, «sie wurde aufgeregt und nervös».

Neben Merkel und May keifte Trump auch mit anderen Staatschefs, so etwa mit dem kanadischen Premierminister Justin Trudeau (48), dem australischen Premierminister Scott Morrison (52) und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron (42), der Trump als «meinen guten Freund» bezeichnet hatte. Macron war es auch, der Trump in mehreren Telefonaten – vergebens – zu überzeugen versuchte, seinen Kurs in umwelt- und sicherheitspolitischen Fragen zu ändern und am Klima-Vertrag und dem Atom-Deal mit Iran festzuhalten.

Keine Ahnung

Es gab kein Gespräch, in dem sich Trump nicht über seine langjährigen Partner beschwerte. Ein Beamter sagt: «Es war immer alles persönlich, und alle taten schreckliche Dinge, um uns zu zerstören – was bedeutete, ‹mich›, Trump, zu zerstören. Er konnte oder wollte das Gesamtbild nicht sehen oder sich darauf konzentrieren.»

Zwei Quellen beschreiben Trump als absolut uninformiert, so etwa über die Corona-Pandemie, über die Geschichte des Syrienkonflikts und des Nahen Ostens im Allgemeinen. Er sei oft unvorbereitet und habe zu wenig Wissen, um sich auf Augenhöhe auf eine Diskussion einzulassen.

Am liebsten unterhielt sich Trump mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Mit ihnen wetterte er über seine Vorgänger George W. Bush (73) und Barack Obama (58), die er – vor allem Obama – als «Schwachköpfe» und «Schwächlinge» bezeichnete. Erdogan und Putin machte er auch einen Gefallen, indem er seine US-Truppen aus Syrien abzog. Ein Beamter sagt auf CNN: «Er hat den Laden verschenkt.»

Erdogan rief am meisten an

Erdogan rief am meisten an. Manchmal bis zweimal pro Woche, und auch dann, wenn Trump am Golfen war, was zum Spielunterbruch führte. Bei Trumps Sicherheitsberatern schrillten die Alarmglocken: Mit seinen vielen Anrufen drängte Erdogan Trump zu politischen Zugeständnissen und anderen Gefälligkeiten. Mitarbeiter des Weissen Hauses sind davon überzeugt, dass türkische Sicherheitsdienste Trumps Zeitplan und Aufenthaltsort nutzten, um den idealen Zeitpunkt für Gespräche zu erwischen.

Statt über aktuelle Themen sprach Trump mit Putin oft in selbstverherrlichenden Worten über sich. Er prahlte über seine Leistungen als Präsident, seinen beispiellosen Erfolg beim Aufbau der US-Wirtschaft und auch über sein eigenes Vermögen. Auch schwelgte er in Erinnerungen an jene Zeit, in der er Leiter der Miss-Universe-Wahlen in Moskau war.

Ein Beobachter vergleicht den russischen Präsidenten mit einem Schach-Grossmeister, der gegen einen gelegentlichen Dame-Spieler antritt. Er sagt: «Putin übertrifft ihn.»

Veröffentlichung wäre «verheerend»

Das Bild, das CNN-Reporter Carl Bernstein von Trump zeichnet, stimmt teilweise mit Aussagen im Buch «The Room Where It Happened» von Trumps ehemaligem Sicherheitsberater John Bolton (71) überein. Allerdings erstrecken sich die Anrufe in Bernsteins Recherchen über eine viel längere Zeit als Boltons Amtszeit, die von April 2018 bis September 2019 dauerte.

Von allen Gesprächen gibt es vertrauliche Protokolle. Die Quellen, die gegenüber CNN aussagen, sind überzeugt: Wenn diese veröffentlicht würden, wäre das für den US-Präsidenten schlicht verheerend.

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