Der Aggressor spielt mit seinen Gegnern Katz und Maus.
Die Bilder der toten Kinder im Zentrum der ukrainischen Stadt Sumy sind noch in Erinnerung. Ein erstes Mal schlugen die russischen Raketen ein und trafen Dutzende Zivilisten. Als sich weitere Menschen dem Platz näherten, um Hilfe zu leisten, trafen die Raketen ein zweites Mal. Der Angriff von letzter Woche war der schlimmste seit langem und, allen Dementis des Kremls zum Trotz, ein schweres Kriegsverbrechen.
Es soll die Bevölkerung zermürben und eine Botschaft an die Welt senden: ob in der Ukraine Frieden herrscht oder nicht, bestimmt einzig Russland. Nicht US-Präsident Donald Trump (78), nicht Chinas Staatschef Xi Jinping (71) und schon gar nicht Europa oder die Uno.
Noch während etliche Opfer in Sumy in Lebensgefahr schweben, hat Kremlchef Wladimir Putin (72) gestern überraschend eine kurze Feuerpause für Ostern ausgerufen.
Putin hatte sich zuvor von seinem Generalstabschef über die Lage an der Front informieren lassen. Das Verteidigungsministerium in Moskau erklärte, dass die Waffenruhe von den russischen Truppen unter der Bedingung eingehalten werde, dass sich auch die ukrainischen Streitkräfte daran hielten.
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (47) reagierte gestern Abend skeptisch. «Was den neuen Versuch Putins betrifft, mit Menschenleben zu spielen, so erklingt gerade in vielen Teilen der Ukraine der Luftalarm», schrieb er auf X.
Gleichzeitig zeigte er sich bereit, sich dem Waffenstillstand anzuschliessen. Man werde symmetrisch auf die Aktionen von Russland reagieren. «Schweigen als Antwort auf Schweigen, Schläge nur zur Verteidigung.»
Darüber hinaus schlug Selenski vor, den Waffenstillstand über Ostern hinaus zu verlängern. «Falls die vollständige Feuerpause tatsächlich hält, schlägt die Ukraine eine Verlängerung über den 20. April hinaus vor.»
Russlands Präsident ist seit seiner Machtübernahme im Jahr 2000 im permanenten Taktikmodus. Keine Aktion ist zufällig gewählt. So weiss er erstens genau, dass Donald Trump in diesen Tagen mit Kiew ein Rohstoffabkommen vorantreibt. Ein guter Zeitpunkt also, gegenüber dem US-Präsidenten einen kooperativen Eindruck zu machen.
Das Verteidigungsministerium in Moskau teilte mit, dass die Waffenruhe aus «humanitären Gründen» eingeführt werde. Die Hintergründe dieser Entscheidung waren zunächst unklar. Zuletzt hatte Washington den Druck auf die Kriegsparteien erhöht, der baldigen Aufnahme von Friedensgesprächen zuzustimmen. Trump hat klargemacht, dass er schnelle Fortschritte sehen will, damit der Krieg in der Ukraine endet – andernfalls könnte seine Regierung ihre Bemühungen einstellen.
Er wolle «sehr bald» eine Einigung sehen, sagte Trump im Weissen Haus. Wie viele Tage damit gemeint seien, konkretisierte er nicht. Der US-Präsident betonte, dass er bei mangelnder Kompromissbereitschaft beider Seiten kein Interesse an einer Fortsetzung seiner Vermittlungsbemühungen habe.
«Wenn nun aus irgendeinem Grund eine der beiden Parteien es sehr schwierig macht, werden wir einfach sagen: Ihr seid dumm. Ihr seid Dummköpfe, ihr seid schreckliche Menschen, und wir werden es einfach lassen», sagte er. «Aber hoffentlich werden wir das nicht tun müssen.»
Was Putin ebenfalls auf dem Radar hat: Trump arbeitet unter Hochdruck an einem Deal mit Iran, einem wichtigen Verbündeten Moskaus. Der Kreml hat ein eminentes Interesse am Machterhalt des Mullahregimes – mit dem Sturz Assads in Syrien hat Russland bereits einen Stützpunkt verloren. Ein «Regime Change» in Teheran wäre eine empfindlicher strategischer Rückschlag für Moskau. Mit der Ankündigung einer österlichen Waffenruhe versucht Putin wohl auch, Washington zu besänftigen und damit die Chance auf eine Einigung mit den Iranern zu steigern. Denn mit seinem Vorgehen schmeichelt Putin Trump ganz besonders: Dieser kann sich in seiner Rolle als «Dealmaker» präsentieren.
An jener Front gibt es Bewegung: Nach seinem Besuch bei Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni (48) stellte Trump nicht nur eine Zolleinigung mit der EU in Aussicht – Rom wird auch zum Schauplatz der Atomverhandlungen mit Iran. Nach der zweiten Runde haben sich beide Seiten auf weitere Gespräche verständigt. Es sei eine vierstündige Sitzung gewesen und «die Verhandlungen kommen gut voran», sagte Irans Aussenminister nach dem Treffen mit dem US-Sondergesandten Steve Witkoff (68) in Rom.
Am Mittwoch sollen die Verhandlungen auf technischer Ebene fortgesetzt werden, am Samstag wollen sich die Diplomaten erneut im Oman treffen.
Wladimir Putin wird diese Entwicklung genau verfolgen – und alsbald zeigen, wie ernst es ihm mit einem Frieden tatsächlich ist.