Gefährliches Spiel mit Kim Jong Un
Will Trump einen Krieg provozieren?

Donald Trump und Kim Jong Un drehen an der Krisenschraube. Der lachende Dritte ist Wladimir Putin.
Publiziert: 24.09.2017 um 17:05 Uhr
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Aktualisiert: 07.10.2018 um 12:40 Uhr
Johannes von Dohnanyi

Es ist die vermutlich schlimmste – und gefährlichste – Woche in der noch jungen Amtszeit von Donald Trump gewesen. Der US-Präsident nutzte seinen ersten Auftritt vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen, um Nordkorea und dem als «kleiner Raketenmann» verhöhnten Diktator Kim Jong Un mit «vollständiger Vernichtung» zu drohen: ein eklatanter Verstoss gegen die internen Regeln der internationalen Organisation.

Als «Raketenmann» verspottet: Trump über Kim Jong Un in seiner Uno-Rede.
Foto: AP

Seitdem eskalieren die gegenseitigen Beschimpfungen und Drohungen. Der Nordkoreaner hat laut über die Explosion einer Wasserstoffbombe irgendwo über dem Pazifik schwadroniert. Wäre seine bislang letzte Langstreckenrakete nicht wie vorgesehen über dem offenen Meer explodiert, hätte sie mit dem vorgegebenen Kurs und dem gewählten Abschusswinkel wohl das US-amerikanische Festland erreichen können. Er werde, hat Kim Jong Un den erfolgreichen Raketentest kommentiert, den «Hund» und «senilen Greis» im Weissen Haus «mit Feuer bändigen».

Der wiederum schickte die strategischen Bomber der U.S. Air Force so dicht an die nordkoreanische Grenze wie seit Jahren nicht mehr. Dann folgte noch eine kurze Twitter-Meldung von @TheRealDonaldTrump: «Sie werden nicht mehr lange da sein.»

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Pjöngjang antwortete mit einer kurzfristig organisierten Massendemonstration. «Tod den amerikanischen Imperialisten», stand auf den Schildern der Protestierenden.

US-Geheimdienste konnten noch keine konkreten Beweise vorlegen

En passant schlug der US-Präsident dann auch noch eine Brücke von der Nordkoreakrise zu seinem zweiten Erzfeind: Der Iran, so Trump, habe den Nordkoreanern mit Raketen- und Atomwaffentechnologie unter die Arme gegriffen.

Diese Behauptung ist nicht neu. Konkrete und belastbare Beweise haben die US-Geheimdienste aber noch nie vorlegen können. Mitte Oktober will Trump entscheiden, ob die USA aus dem Atomdeal mit den Ayatollahs aussteigen oder nicht. Dass er die selbst provozierte Irankrise jetzt über Twitter mit dem Nordkoreakonflikt verbindet, ist ein schlechtes Omen.

Von aussen betrachtet lässt das wütende Pingpong zwischen Washington und Pjöngjang nur einen Schluss zu: Die vom Weissen Haus vorangetriebene Eskalation der vergangenen Tage scheint einem klaren taktischen Drehbuch zu folgen. Trump versucht, die Nordkoreaner so lange bis aufs Blut zu reizen, bis sie in ihren hemmungslosen Drohgebärden den einen taktischen Fehler machen, der eine militärische Antwort der USA zwingend machen würde.

Nordkoreaner verfolgen am 22. September die Rede von Kim Jong Un, in der er US-Präsident Trump droht.
Foto: AFP

Wahnsinn oder Methode?

Was auf den ersten Blick als geradezu irre erscheint, könnte aber Teil einer geplanten und geradezu monströsen Doppelstrategie des Präsidenten sein. Zum einen könnte Trump mit der Eskalation der Koreakrise von der eigenen Erfolglosigkeit ablenken. Sein wohl letzter Versuch, die Gesundheitsreform seines Vorgängers Barack Obama zu kippen, dürfte in diesen Tagen am Widerstand einflussreicher Republikaner scheitern. Der Einreisebann für Muslime ist von amerikanischen Gerichten in weiten Teilen für verfassungswidrig erklärt worden. Die Pläne für die Grenzmauer zu Mexiko kommen ebenfalls nicht voran. Die Republikaner scheuen sich, die dafür nötigen Milliarden bereitzustellen.

«Seniler Greis»: Kim Jong Un über Trump.
Foto: AP

Um seiner Administration wenigstens bis zum Ende des Jahres die nötigen Finanzmittel zu verschaffen, musste der Präsident sogar einen Pakt mit den Demokraten eingehen: Der Status der als «Dreamer» bekannten Kinder illegaler Einwanderer, denen Obama ein Bleiberecht eingeräumt und deren Ausweisung Trump verfügt hatte, soll bis März kommenden Jahres endgültig gesetzlich geregelt werden.

Dem glücklosen Populisten Trump bleibt da eigentlich nur noch eine Rolle, um seine enttäuschten Anhänger bei der Stange zu halten: die des zu allem entschlossenen Oberbefehlshabers der US-Streitkräfte.

Eine lebensgefährliche Überlebensstrategie

Die zweite Linie der Trumpschen Doppelstrategie dient der ganz persönlichen Verteidigung. Der vom Justizministerium eingesetzte Sonderermittler Robert Mueller, der unter anderem die Verbindungen von Trumps Wahlkampfteam zur russischen Staatsspitze aufklären soll, ist bei seinen Nachforschungen offenbar auf belastbare Beweise gestossen.

Das Wohnhaus und die Büros von Trumps ehemaligem Wahlkampfmanager Paul Manafort wurden durchsucht, Manafort selbst unter Druck gesetzt. Vom Weissen Haus hat Mueller Dokumente und Telefonlisten aus dem engsten Beraterkreis des Präsidenten angefordert.

Die Schlinge um den Hals des Präsidenten, glauben investigative Reporter von «Washington Post» und «New York Times», zieht sich zu.

Wie bedrängt müsste sich Donald Trump fühlen, um sich mit einem Krieg gegen Nordkorea vor Robert Mueller und dessen Ermittlern in Sicherheit zu bringen? In Washington ist niemand offiziell bereit, über einen solchen Hintergrund der Eskalationspolitik des Präsidenten auch nur zu spekulieren. Aber ein Satz fällt in den Gesprächen immer wieder: Niemand würde dem Commander in Chief während einer solchen Krise wohl in den Rücken fallen.

Viele Indizien sprechen dafür, dass der Kreml in der Tat versuchte, die US-Wahlen zu beeinflussen. Das wichtigste Ziel, die demokratische Kandidatin Hillary Clinton unter allen Umständen zu verhindern, wurde zwar erreicht. Doch die Hoffnung auf einen «freundlicheren» Gegenspieler im Weissen Haus hat sich nicht erfüllt. Der Glaube an «bessere» Beziehungen zu den USA ist verflogen.

Putins Plan B

Doch anders als der Polit-Dilettant Trump hat Wladimir Putin immer auch einen Plan B bereit. Und sein wichtigster Helfer bei der Umsetzung dieses zweiten Plans ist ausgerechnet Trump selbst! Je weiter der den Streit mit Kim Jong Un eskalieren lässt, umso wichtiger wird Russland als warnender Mahner und Advokat für die Rückkehr zu politischer Besonnenheit und diplomatischer Vernunft.

Zurück auf der Weltbühne der Politik: Wladimir Putin, hier nach einem Flug in einem Bomber.
Foto: Imago

Als «Kindergartenkampf» hat Aussenminister Sergej Lawrow die «martialischen Drohungen» Trumps und die «abenteuerliche Politik» Pjöngjangs bezeichnet: «Die militärische Hysterie führt nicht nur in die Sackgasse, sondern auch zur Katastrophe.»

Der wie entfesselt wirkende US-Präsident hat damit ausgerechnet das bewirkt, wovor ihn seine Geheimdienste und Diplomaten immer wieder gewarnt hatten: Wladimir Putin ist als zentrale Figur auf der Weltbühne zurück.

Zusammen mit der vorsichtig gegen Kim Jong Un agierenden chinesischen Regierung erscheinen Putin und sein Aussenminister Lawrow inzwischen als die einzigen Vernünftigen, die die Welt noch vor dem Absturz in einen verheerenden Atomkrieg bewahren können.

Um sich selbst zu retten, riskiert Donald Trump das Wichtigste, was zu schützen er geschworen hat: das Ansehen, den Einfluss und die weltpolitische Rolle der Vereinigten Staaten von Amerika.

Alle aktuellen Ereignisse rund um Nordkorea verfolgen Sie im Newsticker.

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