Trump-Gegner Chris Christie hat eine Debatte ausgelöst
Ist dieser Mann zu dick fürs Weisse Haus?

Als «fettes Schwein» bezeichnete Donald Trump seinen republikanischen Widersacher Chris Christie diese Woche. Der Vorfall hat eine Debatte ausgelöst über die Wählbarkeit von übergewichtigen Politikern. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse dazu schockieren.
Publiziert: 12.08.2023 um 17:31 Uhr
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Aktualisiert: 14.08.2023 um 09:58 Uhr
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Chris Christie will US-Präsident werden.
Foto: keystone-sda.ch
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Samuel SchumacherAusland-Reporter

Donald Trump (77) trägt im Rennen um das Weisse Haus dick auf. Wortwörtlich. Diese Woche nannte der Republikaner seinen parteiinternen Konkurrenten Chris Christie (60) bei einem Wahlkampfauftritt im US-Bundesstaat New Hampshire ein «fettes Schwein». Zweimal.

Ein Novum ist das für den republikanischen Spitzenreiter nicht. Seit Jahren bezeichnet Trump – mit 110 Kilogramm bei einer Grösse von knapp 1,90 Meter selbst kein schmaler Wurf – seine Kontrahenten und Kritikerinnen als dick und lahm. «Fatshaming» nennt man das in den USA. «Normalen» Amerikanern wird das allerspätestens im Highschool-Alter ausgetrieben.

Trump aber ist der Rolle des «mobbenden Kindes auf dem Pausenplatz» offenbar nie entwachsen. So mindestens kommentierte Chris Christie selbst die jüngste Entgleisung des Ex-Präsidenten. Ihn störten diese Angriffe jedoch nicht wirklich, betonte der einstige Regierungschef von New Jersey, der stets offen mit seinem Gewichtsproblem umgegangen ist. Vor seiner Magenband-Operation 2013 wog der Trump-kritische Präsidentschaftskandidat bei 1,75 Meter Körpergrösse fast 200 Kilogramm.

Was beim Daten stimmt, stimmt auch beim Politisieren

Die entscheidende Frage warf Christie jüngst in einem Interview bei Fox News auf: «Was hat denn mein Gewicht mit meiner Fähigkeit zu tun, US-Präsident zu sein?» Leider mehr, als dem Trump-Widersacher lieb sein dürfte.

Das zumindest zeigt eine Umfrage der amerikanischen Rutgers University, bei der 53 Prozent der Befragten kurz vor den vorletzten Wahlen angegeben hatten, Chris Christie habe «nicht das richtige Aussehen» für einen US-Präsidenten.

Diskriminierend? Absolut. Doch das spielt im knallharten Kampf um politische Macht in Amerika keine Rolle. «Politiker bezichtigen ihre Kontrahenten oft als ‹fett›, um Gegner als ungesund und charakterlich schwach hinzustellen», schreibt der Kommunikationsforscher Michael Bruner, der sich an der Humboldt State University in Kalifornien mit Fatshaming befasst. Wohlgemerkt: Es passiert nicht nur in den USA. Die Chefin der deutschen Grünen, Ricarda Lang (29), kann davon ein Liedchen singen. Die Politikerin wird immer wieder wegen ihres Übergewichts attackiert.

Auf Langs steile Karriere hatte ihr Gewicht bislang allerdings keinen negativen Einfluss. Eine Ausnahme, wie die Studie der beiden Psychologen Patricia und Mark Roehling von der Michigan State University zeigt. Sie kommen zum Schluss, dass es einen signifikanten Zusammenhang gibt zwischen dem Gewicht von politischen Kandidaten und ihrer Aussicht auf Wahlerfolg. Besonders bei Politikerinnen nimmt die Wahlchance mit steigendem Body-Mass-Index (BMI) rapide ab. Was man über den Dating- und den Arbeitsmarkt längst gewusst habe, stimme auch für die Politik: Dicke hätten es schwer.

Französische Studie: je schwerer, umso korrupter

Zu einem erstaunlichen Ergebnis kam Pavlo Blavatskyy von der Montpellier Business School vor drei Jahren. Je dicker ein Politiker, umso korrupter sei er, behauptete der Wirtschaftsprofessor, nachdem er die Minister von 15 Ex-Sowjetrepubliken genau angeschaut hatte.

Ob dieser Schluss auch für amerikanische Präsidenten zählt, ist unklar. William Howard Taft (1857–1930), mit 150 Kilogramm der bislang schwergewichtigste Präsident (1909 bis 1913) der US-amerikanischen Geschichte, hat sich nichts zuschulden kommen lassen. Für Donald Trump – nach dem Demokraten Grover Cleveland (1837–1908) die Nummer drei auf der ewigen Schwerstenliste der US-Regierungschefs – gilt trotz inzwischen drei Anklagen vorläufig die Unschuldsvermutung.

Augenfällig ist, welchen Aufwand die männlichen Kandidaten im aktuellen Rennen um das Weisse Haus betreiben, um sich der Wählerschaft als fitte Kerle zu präsentieren. Donald Trump marschiert an der Seite von Profikämpfern in die Boxkampf-Arena, Senator Tim Scott (57) verschickt Bizeps-Selfie-Videos aus einem Kraftraum in Iowa, Miamis Bürgermeister Francis Suarez (45) joggt quer durch seine Heimatstadt, der Unternehmer Vivek Ramaswamy (37) lädt zum Tennismatch und Floridas Gouverneur Ron DeSantis (44) erzählt gerne von seiner Zeit als Captain der Baseballmannschaft an der Yale University.

Drei von vier Amerikanern sind übergewichtig – und sorgen für massive Gesundheitskosten

US-Präsident Joe Biden (80) versucht, mit ausgiebigen Velotouren von seinem Alter abzulenken. Und sein demokratischer Widersacher Robert Kennedy (69) prahlt in einem Video mit Oben-ohne-Liegestützen.

Wer auch immer das Rennen am 5. November 2024 gewinnt: Den Vereinigten Staaten von Amerika wäre durchaus gedient, wenn sich die Regierung dem Thema Übergewicht über den giftigen Wahlkampf hinaus annehmen würde. 73 Prozent der erwachsenen Amerikaner sind übergewichtig (BMI von 25 oder höher). Die Kosten für die Bewältigung der durch Übergewicht verursachten Gesundheitsprobleme belaufen sich laut Gesundheitsministerium in den USA auf jährlich 173 Milliarden Dollar – Tendenz stark steigend.

Sicher ist: Mit Beleidigungen und Bizeps-Geprahle lässt sich Amerikas gewichtigstes Problem nicht lösen.

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