Mitte März, Florida, USA: Tausende College-Studenten pilgern an die Spring-Break-Hotspots Miami und Fort Lauterdale. Während Europa seine Grenzen dichtmacht, die ersten US-Bundesstaaten ihre Bevölkerung anweisen, zuhause zu bleiben und die Aktienkurse an der Wall Street ins Bodenlose fallen, feiern die Studenten wilde Strandpartys. Der Alkohol fliesst in Strömen, auch Drogen sind kein Tabu. Ihr Motto: Feiern bis zum Umfallen – Coronavirus hin oder her.
Die Bilder des Spring-Break-Partys gingen um die Welt. Der Aufschrei bei den Gesundheitsexperten in Washington war gross: Sie warnten den republikanischen Gouverneur Ron DeSantis (41), nur ein Lockdown könne eine Katastrophe verhindern. Schliesslich ist Florida ein Rentnerparadies – über 19 Prozent der Bevölkerung ist über 65 Jahre alt, gehört somit zur Risikogruppe.
Von einem Lockdown wollte DeSantis damals noch nichts wissen. Immerhin: Er wies die Behörden an, die Strände zu schliessen. «Die Party ist vorbei», sagte er an die College-Studenten gerichtet. Doch die jungen Männer und Frauen kümmerte das wenig. Während die Unis geschlossen waren, feierten sie weiter. «Wenn ich Corona bekomme, dann ist das eben so», sagte Student Brady Sluder (23) aus Ohio der Nachrichtenagentur Reuters. «Das hält mich nicht davon ab, Party zu machen.»
Handydaten zeigen: Floridianer reagierten selbstständig
Eineinhalb Monate sind seit dem Spring-Break-Wahnsinn in Florida vergangen. Es dauerte damals noch bis Anfang April, ehe der Druck aus Washington zu gross wurde und Gouverneur DeSantis einen Lockdown verfügen musste – als einer der letzten Bundesstaaten. Nun konnten am Montag Restaurants und Shopping Malls bereits wieder Gäste empfangen, die meisten Strände sind ohnehin schon länger wieder offen. Die Corona-Bilanz des Rentner-Paradies lässt sich vergleichsweise sehen: Etwas mehr als 35'000 Infizierte und knapp 1400 Todesopfer – deutlich weniger als in anderen Bundesstaaten, die Wochen früher Massnahmen beschlossen.
Gesundheitsexperten in den USA rätseln nun: Warum kam Florida so glimpflich davon? Einer der Gründe könnte sein, dass die Region Mitte März mit dem Verlauf der Pandemie eine Woche hinter New York zurücklag, so Forscher Thomas Hladish von der University of Florida. «In der frühen, exponentiell wachsenden Phase einer Epidemie ist der Beginn einer Intervention eine Woche früher absolut entscheidend», sagte er am Montag dem «Wall Street Journal».
Eine Analyse von Handydaten der Floridianer zeigt, dass die Menschen im Sonnenstaat früh selbstständig auf die Gefahr reagiert haben. Während die tägliche Mobilität der Einwohner nach dem 15. März in den USA um etwa 50 Prozent abnahm, ging sie in den Bezirken rund um Miami und mehr als 80 Prozent zurück. «Die Schwere des Problems wurde den Floridianern sehr deutlich», sagte Dr. Levine von der Universität von Südflorida der Zeitung. «Zu sehen, was sich anderswo abspielte, war ein Vorteil.»
Florida hat Vorteil dank geografischer Lage
Gouverneur DeSantis sieht sich in seiner Corona-Politik bestätigt: «Jeder sagte in den Medien, Florida werde wie New York oder Italien sein – und das ist nicht geschehen.» Zumindest die Zahlen geben dem Republikaner recht. In den vergangenen Wochen wurden prozentual immer weniger Corona-Infizierte verzeichnet, auch die Anzahl Todesfälle hat sich zuletzt verlangsamt.
Experten erklären das Corona-Wunder Floridas mittlerweile auch mit der geografischen Lage. Abgesehen von einer Handvoll städtischer Gebiete sind die Bezirke Floridas weniger dicht besiedelt als jene in den stark betroffenen Teilen des Nordostens und Mittleren Westens des Landes. Hinzu kommt, dass die Bewohner hauptsächlich auf das Auto angewiesen sind, um sich fortzubewegen. Die Möglichkeiten des öffentlichen Nahverkehrs halten sich im Sonnenparadies in Grenzen.
Trotzdem warnen die Gesundheitsexperten nach wie vor, dass der schnelle Weg letztlich verheerend enden könnte. «Florida war und ist immer noch wegen seiner Bevölkerung stark gefährdet», sagt Marissa Levine im «Wall Street Journal». «Wenn man alles wieder so öffnet, wie es vorher war, könnten wir möglicherweise eine ernsthaftere zweite Welle bekommen.» Damit die Collegestudenten im kommenden Jahr also wieder wegen ihres Alkohol- und Drogenkonsums an den Pranger kommen, und nicht wegen ihrer Corona-Fahrlässigkeit, ist es noch ein langer Weg.
Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.
Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.