Trotz juristischem Paukenschlag
Keine Lösung im Brexit-Streit

Das Urteil des Supreme Courts in London gegen die von Premierminister Boris Johnson verhängte Parlaments-Zwangspause ist ein Paukenschlag für die britische Innenpolitik. Doch es schafft für die EU keinerlei Klarheit, wohin das Land in Sachen Brexit steuert.
Publiziert: 24.09.2019 um 16:01 Uhr
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Aktualisiert: 25.09.2019 um 11:08 Uhr
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Schlappe für Premier Boris Johnson: Die von ihm auferlegte Zwangspause des Parlaments wurde als rechtswidrig erklärt. (Archiv)

Ein Überblick über die möglichen Optionen, wie es jetzt im Brexit-Chaos weitergehen könnte:

1. Johnson tritt als Premier zurück

Die Richter haben festgestellt, dass die verhängte fünfwöchige Zwangspause für das britische Unterhaus kurz vor dem geplanten EU-Austritt am 31. Oktober unrechtmässig ist. Oppositionsführer Jeremy Corbyn rief den konservativen Johnson daraufhin sofort zum Rücktritt auf. Ob der Premier dies tatsächlich tut, ist jetzt die grosse innenpolitische Frage in Grossbritannien - die natürlich massive Auswirkungen auf die Brexit-Verhandlungen hätte.

2. Es gibt Neuwahlen

Johnson hat selbst Neuwahlen noch vor Ende Oktober gefordert, nachdem er im Unterhaus seine hauchdünne Mehrheit nach dem Ausschluss von 21 Rebellen seiner konservativen Partei verloren hatte.

Die oppositionelle Labour-Partei will dem aber nur zustimmen, wenn ein chaotischer Brexit ohne Abkommen klar ausgeschlossen wird. Dies lehnt Johnson ab. Selbst durch einen Rücktritt könnte Johnson Neuwahlen nicht direkt selbst erzwingen - er braucht dafür die Unterstützung von zwei Dritteln des Unterhauses.

3. Brexit wird nochmals verschoben

Angesichts der unklaren innenpolitischen Lage könnte London eine erneute Verschiebung des derzeit für den 31. Oktober geplanten Brexit beantragen. Auf EU-Seite müssten die Staats- und Regierungschefs der anderen 27 Mitgliedstaaten einstimmig zustimmen.

Länder wie Frankreich haben ihrerseits erklärt, sie seien nur zu einer weiteren Verschiebung bereit, wenn es einen guten Grund dafür gebe - etwa Neuwahlen oder ein zweites Brexit-Referendum. Auch wenn viele EU-Regierungen wegen des britischen Hin- und Her beim Brexit genervt sind, würden die meisten eine weitere Verschiebung einem chaotischen Austritt wohl vorziehen.

4. Einigung auf Abkommen

Johnson könnte versuchen, bis zum 31. Oktober doch noch eine Einigung mit der EU zu erzielen. Das britische Parlament hat den bisher ausgehandelten Austrittsvertrag aber schon drei Mal abgelehnt.

Knackpunkt ist die Auffanglösung für Nordirland, die nach dem Brexit Grenzkontrollen zwischen der britischen Provinz und dem EU-Mitglied Irland verhindern soll. Das Vereinigte Königreich würde dabei vorerst als Ganzes in einer Zollunion mit der EU bleiben. Dies lehnen die Brexit-Hardliner in Grossbritannien strikt ab.

Johnson will deshalb «alternative Vereinbarungen», die sichtbare Grenzkontrollen unnötig machen. Bisher hat der Premierminister Brüssel in diesem Punkt aber nicht überzeugen können.

5. No-Deal-Brexit

Bei einem No-Deal-Brexit würde die EU-Mitgliedschaft Grossbritanniens Ende Oktober schlagartig enden. Die Wiedereinführung von Zoll- und Personenkontrollen hätte weitreichende Folgen für Wirtschaft und Bürger. Das Unterhaus hatte jedoch vor der Zwangspause ein Gesetz verabschiedet, das einen Chaos-Brexit ausschliessen soll. Ohne Einigung mit Brüssel soll der Austritt demnach auf Ende Januar verschoben werden.

Johnson hat seinerseits erklärt, er würde lieber «tot im Graben liegen», als den Brexit zum dritten Mal zu verschieben. Kabinettsminister haben angedeutet, die Regierung suche nach Lücken in dem Verschiebungsgesetz des Parlaments, um einen No-Deal-Brexit Ende Oktober weiter möglich zu machen.

6. Rücknahme des Austrittsantrags

Für London besteht bis zum Austrittsdatum jederzeit die Möglichkeit, den Brexit-Antrag ohne Zustimmung der EU einseitig zurückzunehmen. Denkbar wäre dies nach einem Sieg von Labour bei eventuellen Neuwahlen. Die Partei hat für diesen Fall ein zweites Referendum mit einer Option zum Verbleib in der EU versprochen. (SDA)

Voraussichtlicher Brexit-Fahrplan

  • 24. September
    Entscheid des Supreme Courts über die Zwangspause der Parlaments.
     
  • 25. September
    Nach dem höchstrichterlichen Urteil in Grossbritannien gegen die von der Regierung verfügte fünfwöchige Zwangspause des Parlaments kommen die Abgeordneten früher wieder zusammen.
     
  • Expertengespräche Grossbritanniens mit der EU über Änderungen am Austrittsvertrag in Brüssel.
     
  • 29. September bis 2. Oktober
    Parteitag der regierenden britischen Konservativen in Manchester.
     
  • 15. Oktober
    In Luxemburg wollen die verbliebenen 27 EU-Länder auf Ministerebene über den Brexit beraten
     
  • 17. und 18. Oktober
    EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs.
     
  • 19. Oktober
    Frist im Gesetz gegen No-Deal-Brexit läuft ab. Sollte bis dahin kein Austrittsabkommen ratifiziert sein, muss der britische Premierminister eine Verschiebung des Brexits beantragen.
     
  • 31. Oktober
    Voraussichtlich letzter Tag der britischen EU-Mitgliedschaft.
Brexit-News

Am 23. Juni 2016 stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU. Seitdem findet ein langwieriger Prozess der Kompromissfindung zwischen britischer Politik und der EU statt. Am 31. Januar 2020 treten die Briten offiziell aus der EU aus. Behalten Sie den Überblick im Brexit-Chaos mit dem Newsticker von Blick.ch.

Am 23. Juni 2016 stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU. Seitdem findet ein langwieriger Prozess der Kompromissfindung zwischen britischer Politik und der EU statt. Am 31. Januar 2020 treten die Briten offiziell aus der EU aus. Behalten Sie den Überblick im Brexit-Chaos mit dem Newsticker von Blick.ch.

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