Trauer über Europas liberalen Vorkämpfer
Französischer Ex-Präsident Giscard d'Estaing an Covid verstorben

Der frühere französische Staatschef Valéry Giscard d'Estaing ist tot. Der Zentrumspolitiker regierte von 1974 bis 1981 im Élysée-Palast.
Publiziert: 03.12.2020 um 00:10 Uhr
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Aktualisiert: 03.12.2020 um 07:31 Uhr
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Ein grosser ehemaliger Präsident Frankreichs ist tot.
Foto: AFP

Der frühere französische Staatschef Valéry Giscard d'Estaing ist im Alter von 94 Jahren gestorben. Der Zentrumspolitiker hatte von 1974 bis 1981 im Élysée-Palast amtiert. Giscard d'Estaing war erst Mitte des Monats nach einem fünftägigen Aufenthalt aus dem Krankenhaus im westfranzösischen Tours entlassen worden.

Der Altpräsident sei am Mittwoch in seinem Haus im zentralfranzösischen Département Loir-et-Cher an den Folgen einer Covid-19-Erkrankung gestorben, hiess es in einer Erklärung, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Die Beisetzung solle im Familienkreis stattfinden. Ein Termin wurde nicht genannt.

Giscard d'Estaing war ein überzeugter Europäer und äusserte sich in der französischen Öffentlichkeit bis ins hohe Alter zu EU-Fragen. In den 1970er-Jahren bildete er mit dem damaligen SPD-Bundeskanzler Helmut Schmidt (1918–2015) ein deutsch-französisches Duo. Beide Spitzenpolitiker konzipierten beispielsweise das Europäische Währungssystem, das von 1979 an lange den Rahmen für die währungspolitische Zusammenarbeit der Partnerländer bildete.

Enge Beziehung zu Deutschland

Der Franzose überlebte seine Nachfolger François Mitterrand (1916–1996) und Jacques Chirac (1932–2019). Bei der Trauerfeier für Chirac im September 2019 in Paris nahm er noch teil.

Giscard d'Estaing hatte auch persönlich eine enge Beziehung zu Deutschland. Er wurde am 2. Februar 1926 in Koblenz im damals französisch besetzten Rheinland geboren. Nach dem Zweiten Weltkrieg absolvierte er die französische Elitehochschule ENA. Er stieg danach zum Wirtschafts- und Finanzminister auf. Nach dem Tod von Präsident Georges Pompidou wurde er mit 48 in das höchste Staatsamt gewählt.

Giscard d'Estaing setzte im Élysée-Palast gesellschaftliche Reformen wie die Liberalisierung des Ehe- und Abtreibungsrechts durch. Gegen Ende seiner Amtszeit litt seine Popularität unter anderem wegen der Affäre um ein Diamantengeschenk des zentralafrikanischen Diktators Jean-Bédel Bokassa.

«Grotesker» Vorwurf der sexuellen Belästigung

Von 2002 an führte Giscard d'Estaing den EU-Reformkonvent, der zur Erneuerung der Europäischen Union einen Verfassungsentwurf vorlegte. Mit dem Nein der Franzosen und der Niederländer bei Volksabstimmungen im Jahr 2005 scheiterte das Vorhaben jedoch spektakulär. Danach übernahm der EU-Vertrag von Lissabon wichtige Regelungen der abgelehnten Verfassung. 2003 erhielt der Europapolitiker Giscard d'Estaing den Karlspreis der Stadt Aachen (D).

Giscard d'Estaing nahm im Juni zu einem gegen ihn erhobenen Vorwurf der sexuellen Belästigung Stellung. «Das ist alles grotesk», sagte er dem französischen Radiosender RTL. Eine Reporterin des WDR hatte ihm vorgeworfen, sie sexuell belästigt zu haben.

Er habe ihr «nach einem Interview, das ich mit ihm im Dezember 2018 in Paris geführt habe, mehrfach an das Gesäss gefasst», hatte Ann-Kathrin Stracke der Deutschen Presse-Agentur gesagt. Sie bestätigte, Strafanzeige wegen sexueller Belästigung gestellt zu haben. Die Pariser Staatsanwaltschaft nahm eine Untersuchung auf. (SDA)

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