Die chinesische Regierung versucht mit allen Mitteln, Informationen über den Ausbruch des Coronavirus zu vertuschen. Wer die Wahrheit ausspricht, wird vom Staat in die Schranken gewiesen. Das Portal «Daily Mail» berichtet, was mit den Zeugen geschehen ist.
Einer von ihnen: Fang Bin aus Wuhan. Eines Tages klopfte es an seiner Haustür. Zwei Männer in Schutzanzügen kamen, um den Textilhändler abzuholen, angeblich um ihn in Quarantäne zu stecken. Herr Fang war aber kerngesund und bei den vermeintlichen Ärzten handelte es sich um Polizeibeamte.
Aufeinander gestapelte Leichensäcke
Fang hatte sich angeblich ein Verbrechen zu Schulden kommen lassen. Er hatte ein Video ins Internet gestellt, in dem er aufeinander gestapelte Leichensäcke vor einem Spital in Wuhan filmte. Und dies zu einer Zeit, in der die Regierung noch felsenfest behauptete, den Virus unter Kontrolle zu haben. Das Video war populär: Rund 200'000 mal wurde es angeklickt, bevor es zensurisiert und gelöscht wurde.
Auf der Wache wurde Fang vernommen. Die Beamten warfen ihm vor, Gerüchte über das Virus zu verbreiten. Danach konfiszierten sie seinen Computer und liessen ihn gehen.
5100 Chinesen verhaftet
Eine Woche später – am 9. Februar – postete Fang erneut ein Video. Im Hintergrund des Videos ist ein Plakat mit den Worten: «Bürger, wehrt euch! Gebt dem Volk die Macht zurück!» zu erkennen. Kurz darauf erscheint die Polizei erneut vor Fangs Haus. Die nächsten zwei Monate fehlt von ihm jede Spur.
Der Fall von Fang ist kein Einzelfall. Wer in China online über den Mangel an Schutzmasken, lange Wartezeiten in Spitälern oder den Tod eines Angehörigen schreibt, droht ein ähnliches Schicksal wie Fang. Hunderte Bürger wurden festgenommen oder zu hohen Geldstrafen verdonnert. Wie die Zeitung «Daily Mail» schreibt, wurden mehr als 5100 Chinesen in Gewahrsam genommen.
Regierung räumte alle Kritiker aus dem Weg
Wer Informationen über das Coronavirus verbreitete, wurde wie Fang Bin als krank gemeldet und in Quarantäne gesteckt. Gleichzeitig wurden Millionen gesunder Menschen mittels der Corona-App der Regierung überwacht, die Kontrollen der Regierung weiter verschärft.
Neben Fang gehören auch der Anwalt Chen Qiushi und der frühere Fernsehreporter Li Zehua zu den drei wichtigsten Whistleblower im Kampf um die Wahrheit zum Corona-Ausbruch in China. Die chinesische Regierung räumte sie alle aus dem Weg. Menschenrechtsorganisationen vermuten, dass sie unter Folter dazu gezwungen werden, ihre – in den Augen der Regierung – Verbrechen zu gestehen. Und dies in Gefängnissen, die üblicherweise für Staatsfeinde vorgesehen sind.
Von Behörden zum Schweigen gezwungen
Der wohl bekannteste Fall ist der des Arztes Li Wenliang (†34). Als einer der Ersten warnte er vor der Gefahr des neuartigen Covid-19. Von den Behörden wurde er zum Schweigen gezwungen – man wollte eine entstehende Panik im Keim ersticken. Ein paar Tage später starb der Arzt an den Folgen der Lungenkrankheit – im Internet sorgte dies für Empörung.
Auch der Anwalt Chen Quishi fiel den Behörden zum Opfer: Er teilte ein Video über die katastrophalen Szenen, die sich in den Spitälern Wuhans abspielten. Mit 400'000 Abonnenten auf YouTube und weiteren 250'000 auf Twitter erreichte der Anwalt eine ansehnliche Reichweite.
Chen war bewusst, dass ihn die Regierung aus dem Weg räumen würde. Dies hielt ihn jedoch nicht davon ab, die Wahrheit ans Licht bringen: «Solange ich lebe, werde ich auch sagen, was ich gehört und gesehen habe! Ich habe keine Angst zu sterben! Warum sollte ich vor dir Angst haben, Kommunistische Partei?» – dies schrieb er im Interet. Wenige Tage später verschwand auch er.
Virus durch undichte Stelle im Labor ausgelöst?
Auch der ehemalige Reporter des Staatsfernsehens, Li Zehua (25), ging den Behörden drei Wochen später in die Fänge: Auf eigene Faust berichtete er über die Zahl der Todesopfer in Wuhan. Zudem brachte er in einem Video Spekulationen zur Sprache, laut denen das Virus möglicherweise durch eine undichte Stelle im Labor ausgelöst worden war.
Noch während er filmte, wurde er von der Polizei verjagt. «Ich bin sicher, sie wollen mich in Quarantäne stecken», sagte Li in die Kamera, als er vor der Polizei flüchtete. «Helft mir!» Als die Beamten am selben Tag vor seiner Tür erscheinen, wurde Li verhaftet. Er sendete seine Festnahme live inm Internet. Dabei sagte er noch, dass er gesund sei.
Hohes Folterrisiko bei Verschwundenen
Der «Daily Mail» sagt Frances Eve, stellvertretende Forschungsdirektorin der Überwachungsorganisation Chinese Human Rights Defenders (CHRD): «Alle Verschwundenen sind einem sehr hohen Folterrisiko ausgesetzt. Sie sollen gestehen, dass ihre Taten kriminell oder schädlich für die Gesellschaft waren.»
Anschliessend werden die Schuldigen an den Pranger gestellt, indem sie ihre «Verbrechen» im chinesischen Staatsfernsehen gestehen müssen. Laut der CHRD seien in 897 Fällen zwischen dem 1. Januar und dem 26. März Bürger zu Gefängnisstrafen zwischen drei und zehn Tagen, oder Geldbussen verurteilt wurden. «All der Kummer und die Angst, die die Chinesen in den ersten Wochen der Abriegelung empfanden, wurden von der Regierung aus dem Internet gelöscht», so Eve. (dzc)
Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.
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