Ton verschärft sich
Biden warnt Netanyahu – und droht mit Konsequenzen

Nach dem Tod von ausländischen Helfern im Gazastreifen hat US-Präsident Joe Biden den israelischen Premierminister Benjamin Netanyahu vor Konsequenzen gewarnt, sollte Israel den Schutz von Zivilisten nicht erhöhen. Israel reagierte sofort.
Publiziert: 04.04.2024 um 23:26 Uhr
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Aktualisiert: 05.04.2024 um 07:24 Uhr
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Ton verschärft sich: Joe Biden mit Netanyahu.
Foto: IMAGO

Nach dem tödlichen Angriff auf einen Konvoi der Hilfsorganisation World Central Kitchen (WCK) hat US-Präsident Joe Biden (81) den Druck auf den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu (74) erhöht, rasch für den Schutz von Zivilisten und humanitären Helfern im Krieg gegen die radikalislamische Hamas zu sorgen. In einem Telefonat mit Netanyahu forderte Biden entsprechende «konkrete» und «unverzügliche» Schritte. Hilfsorganisationen prangerten unterdessen die verheerenden Folgen des Kriegs für Kinder und das Gesundheitssystem an.

Der weitere US-Kurs in dem Konflikt hänge vom «unverzüglichen Handeln» Israels zum Schutz von Zivilisten und humanitären Helfern im Gazastreifen ab, sagte Biden nach Angaben des Weissen Hauses in dem Telefonat. Bidens nationaler Sicherheitsberater John Kirby (60) sagte wenig später, die US-Regierung erwarte schon «in den kommenden Stunden und Tagen» einen Rückgang der Gewalt gegen Zivilisten und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen. 

Reaktion von Israel

Israel kündigte kurz nach dem Telefonat «sofortige Schritte» zur Erhöhung humanitärer Hilfe für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen an. So sollen vorübergehend der Hafen von Aschdod sowie der Grenzübergang Erez geöffnet werden, wodurch leichter Hilfe in den besonders von Lebensmittelmangel betroffenen Norden des Gazastreifens kommen kann.

Auch die über den Grenzübergang Kerem Schalom aus Jordanien kommenden Hilfsgüter würden aufgestockt. «Diese verstärkte Hilfe wird eine humanitäre Krise verhindern und ist unerlässlich, um die Fortsetzung der Kämpfe zu gewährleisten und die Ziele des Kriegs zu erreichen», zitierte «Haaretz» aus der israelischen Erklärung.

Israel muss Schritte zum Schutz von Zivilisten ergreifen

Es war das erste Gespräch zwischen Biden und Netanyahu seit dem Tod von sieben Mitarbeitern der Hilfsorganisation WCK bei einem israelischen Luftangriff, über den sich der US-Präsident «empört» gezeigt hatte. Im Gespräch mit dem israelischen Regierungschef nannte Biden die Angriffe auf humanitäre Helfer und die allgemeine humanitäre Lage in dem Palästinensergebiet «inakzeptabel», wie das Weisse Haus mitteilte.

Israel müsse «eine Serie von spezifischen, konkreten und messbaren Schritten» ergreifen, um Schaden für Zivilisten zu verhindern, das menschliche Leid zu verringern und für die Sicherheit der Mitarbeiter von Hilfsorganisationen zu sorgen, sagte der US-Präsident den Angaben zufolge.

Sicherheitsberater Kirby appellierte an Israel, eine «dramatische Zunahme» der humanitären Hilfen für die Menschen im Gazastreifen innerhalb der «kommenden Stunden und Tage» zu ermöglichen. Dazu müssten auch zusätzliche Grenzübergänge geöffnet werden. Zugleich bekräftigte Kirby die «eiserne» Unterstützung der USA für die Sicherheit Israels.

Sofortige Waffenruhe gefordert

Biden forderte in dem Telefonat mit Netanyahu erneut eine sofortige Waffenruhe im Gaza-Krieg. Auch drang der Präsident den Angaben des Weissen Hauses zufolge darauf, dass Netanyahu «ohne Verzögerung» seine Unterhändler zum Abschluss einer Vereinbarung über die Freilassung der von der Hamas verschleppten Geiseln ermächtigt.

Biden hat Israel im Krieg gegen die radikalislamische Palästinenserorganisation bislang durchgehend unterstützt, unter anderem mit Rüstungslieferungen. Allerdings übte der US-Präsident zuletzt angesichts der humanitären Not im Gazastreifen immer deutlichere Kritik an der israelischen Kriegsführung.

Derweil teilte die israelische Armee im Onlinedienst Telegram mit, dass sie angesichts des Kriegs im Gazastreifen und zunehmender Spannungen mit dem Iran ihre Verteidigungsbereitschaft stärke. Die Armee verhängte am Donnerstag eine Urlaubssperre für ihre Kampfeinheiten, blockierte GPS-Signale an bestimmten Orten und stärkte eigenen Angaben zufolge ihre «Wachsamkeit», insbesondere bei der Luftabwehr.

Mehr als 33'000 Menschen im Gazastreifen getötet

Der Krieg im Gazastreifen war durch den beispiellosen Grossangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober ausgelöst worden, bei dem nach israelischen Angaben etwa 1170 Menschen getötet sowie rund 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden.

Israel geht seither massiv militärisch im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, bisher mehr als 33'000 Menschen getötet.

Die Kinderhilfsorganisation prangerte die verheerenden Folgen des Kriegs für rund eine Million Kinder im Gazastreifen an. «Wir schulden den Kindern in Gaza die Achtung ihrer Rechte und eine menschenwürdige Zukunft», erklärte der Geschäftsführer von Save the Children Deutschland, Florian Westphal.

Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen warf Israel die «systematische und vorsätzliche Zerstörung» des Gesundheitssystems im Gazastreifen vor. «Kein Gesundheitssystem der Welt kann mit dem Ausmass und der Art von Verletzungen umgehen, mit denen wir täglich konfrontiert sind», sagte «Ärzte ohne Grenzen»-Vertreterin Amber Alayyan.

(AFP)

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