Grosse Demonstrationen zogen lautstark und friedlich unter anderem durch Berlin, Hamburg, Köln, Leipzig und Freiburg. Allein in der Hauptstadt sprach die Polizei von einer Teilnehmerzahl im «mittleren fünfstelligen Bereich».
Bei einem Auftritt vor dem Reichstagsgebäude kritisierte die 18-jährige schwedische Initiatorin von Fridays for Future, Greta Thunberg, Deutschland scharf: «Deutschland ist objektiv gesehen einer der grössten Klima-Bösewichte.» Die Demonstrationen waren Teil des internationalen Aktionstags für mehr Klimaschutz. Fridays for Future verlangt Massnahmen für die Begrenzung der Klimaerwärmung auf 1,5 Grad.
Regierungssprecher Steffen Seibert verwies angesichts der Proteste auf Fortschritte und sagte, die Regierung habe ihre Anstrengungen verstärkt, um neue Klimaziele zu erreichen. Es gebe eine neue Dynamik in Deutschland und auf europäischer Ebene. Viele Prozesse seien im Gang. Kanzlerin Angela Merkel habe wiederholt betont, wie wichtig der Einsatz für den Klimaschutz sei. Die Bewegung Fridays for Future habe «natürlich etwas erreicht».
SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz bedankte sich auf Twitter für das Engagement. Fridays for Future habe mitgeholfen, dass Klimaschutz oben auf der Agenda stehe. «Ich sage ausdrücklich: Dass heute Klimastreik ist, ist richtig.» Klimapolitik gehöre zu den wichtigen Themen, über die bei der Wahl entschieden werde.
Der Kanzlerkandidat der Christdemokraten, Armin Laschet, versprach in einer Botschaft auf Instagram mehr Tempo beim Klimaschutz: «Für die CDU ist ganz klar, nicht erst seit heute: Deutschland muss beim Klimaschutz schneller und besser werden.» Das Ziel sei, weltweit so schnell wie möglich Klimaneutralität zu erreichen.
Demonstranten fragten auf einem Plakat in Berlin: «Moin Olaf, 9,5 Milliarden Euro Steuervorteil für Diesel - willst Du das nicht mal anpacken?» Auf einer Aufblasfigur mit den Gesichtszügen Laschets stand: «Klimaschutz bei CDU/CSU? Nichts als heisse Luft.»
Die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock sprach in Köln in der Nähe der Universität mit Demonstranten. Empfangen wurde sie bei ihrem überraschenden Auftauchen wie eine Art Rockstar. Die einen baten um Autogramme, andere um Selfies. Die Wahlkämpferin kam den Wünschen gerne nach - perfekte Bilder, zwei Tage vor der Bundestagswahl. Noch vor Beginn des Protestmarschs verabschiedete Baerbock sich wieder. Am Nachmittag wurde sie zum bundesweiten Wahlkampfabschluss ihrer Partei in Düsseldorf erwartet.
Thunberg sagte: «Deutschland ist der viertgrösste Kohlendioxid-Ausstosser in der Geschichte und das bei einer Bevölkerung von 80 Millionen Menschen. In ihrer Rede auf Englisch, die von Applaus begleitet wurde, forderte sie eine Veränderung des «Systems». Man könne sich aus der Krise nicht «herausinvestieren, bauen oder kaufen». Umso länger man so tue, «desto mehr Zeit verlieren wir».
Neben Beifall gab es für Thunberg auch Gekreische und Teenager-Rufe wie: «Ich liebe dich Greta» und «Oh mein Gott, ich habe Greta gesehen». Viele filmten ihren Auftritt mit Handys. Nach der Kundgebung verliess sie begleitet von Polizisten den Platz vor dem Reichstagsgebäude. Zuvor hatten drei ältere Männer sie bedrängt und mit Gesten beleidigt.
Bei dem langen Berliner Demonstrationszug hiess es in Sprechchören: «Wir alle für 1,5 Grad». Auf Plakaten standen Slogans wie: «Oma was ist ein Schneemann» oder «Die Natur verhandelt nicht». Unter den grösstenteils jungen Demonstranten waren viele Schüler, die an dem Tag einen Schulstreik ausriefen. Eine Gruppe von Kindern aus der 3. bis 6. Klasse rief im Chor: «Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr unsere Zukunft klaut». Der zehnjährige Sasha sagte: «Wir wollen nicht, dass die Welt kaputt geht und mit Plastik voll ist.» Andere Teilnehmer skandierten Parolen aus der linksradikalen Szene wie «Anti-Capitalista».
(SDA)