In London brennts an allen Ecken und Enden. Nicht einmal neun Monate vor dem definitiven Austritt aus der EU bricht die britische Regierung in sich zusammen. Aussenminister Boris Johnson (54) hat am Montagabend seinen Rücktritt verkündet. Kurz zuvor waren Brexit-Minister David Davis (69) und sein Vize Steve Baker (47) zurückgetreten.
Sowohl Johnson als auch Davis begründen ihren Rücktritt mit Theresa Mays (61) Zugeständnissen an die EU. Die Premierministerin hatte am Freitag nach einer Marathon-Sitzung verkündet, dass sich die Regierung darauf geeinigt habe, auch nach dem Brexit eng mit Brüssel zusammenarbeiten zu wollen. Mays neuer Brexit-Plan sieht eine Freihandelszone für Waren und landwirtschaftliche Güter zwischen Grossbritannien und der EU vor.
«Dieser Plan ist ein Scheisshaufen»
Der ehemalige Londoner Bürgermeister Johnson war das Gesicht in der Brexit-Kampagne und der Wortführer der EU-Gegner in Grossbritannien. Über die EU sagte er, sie sei eine «noble Idee für ihre Zeit» gewesen, doch «nicht länger richtig für dieses Land».
Johnson nannte Mays neuen Plan zuerst «einen Scheisshaufen» und stimmte ihm nur unter Protest zu. Als ihn nachträglich seine Freunde und Vertrauten bedrängten, änderte er seine Meinung und stellte sich gegen May.
Die Zeit drängt
Drei Minister-Abgänge innert 24 Stunden: Für Theresa May wirds eng. Ihr sanfter Brexit-Kurs wird immer weniger goutiert. Die Chance auf die Vertrauensfrage steigt. Das heisst: Schon bald könnte auch die Premierministerin weg sein!
Die Briten haben dem Brexit am 23. Juni 2016 mit 51,89 Prozent zugestimmt. Der definitive Bruch ist auf den 29. März 2019 terminiert.
Noch bleiben knapp neun Monate bis zum Austritt, sofern sich nicht beide Seiten auf eine Verlängerung der Austrittsverhandlungen einigen. Wie der Bruch in der Regierung zeigt, weiss man in London immer noch nicht, wie der Austritt vollzogen werden soll und wie die Zusammenarbeit mit der EU nachher aussieht.
Ein Austritt aus der EU, ohne dass die Briten mit irgendeinem neuen Zusammenarbeitsvertrag dastehen, wird immer wahrscheinlicher. Den Briten droht eine Bruchlandung!
EU hofft auf Abkehr vom Brexit
In Brüssel staunt man über die Vorkommnisse in London, zeigt sich aber nach wie vor rund um die Uhr gesprächsbereit. EU-Ratspräsident Donald Tusk (61) hofft, dass die Briten nun vom Brexit abkehren. Er twittert: «Politiker kommen und gehen, aber die Probleme, die sie für das Volk erschaffen haben, bleiben. Ich kann nur bedauern, dass mit Davis und Johnson nicht auch die Idee des Brexit verschwindet. Aber … wer weiss?»
Am 23. Juni 2016 stimmte Grossbritannien für den Austritt aus der Europäischen Union. Zur Zeit verhandeln die EU und das Vereinigte Königreich über die Austrittsbedingungen. Alle aktuellen Informationen gibt es immer hier.
Am 23. Juni 2016 stimmte Grossbritannien für den Austritt aus der Europäischen Union. Zur Zeit verhandeln die EU und das Vereinigte Königreich über die Austrittsbedingungen. Alle aktuellen Informationen gibt es immer hier.
Kommentar von Auslandredaktor Guido Felder
Drei Minister-Rücktritte innert 24 Stunden, innere Zerrissenheit und ein Chaos während der Austritts-Vorbereitungen: Die Geschichte der heldenhaften Briten, die der EU mit ihrer Brexit-Abstimmung die lange Nase gezeigt hatten, droht für sie selber in einem Fiasko zu enden.
Premierministerin Theresa May versuchte für ihr Land aus dem Brexit – auch auf Druck der Wirtschaft und mit Rücksicht auf Irland – den besten Deal herauszuholen. Nach dem Rücktritt von Johnson und Davis wird aber der sture Kurs der Brexit-Hardliner Auftrieb erhalten. Die Austrittsverhandlungen könnten in eine Austrittsschlacht ausarten.
In den verbleibenden neun Monaten werden es die Briten kaum schaffen, die EU in Würde zu verlassen. Wenn sie sich mit Brüssel nicht darauf einigen, die Austrittsverhandlungen zu verlängern, kommt es am 29. März 2019 wohl zum harten Bruch ohne weiteren Zusammenarbeits-Vertrag. Es wäre der Moment, in dem sich das Königreich neu erfinden müsste.
Kommentar von Auslandredaktor Guido Felder
Drei Minister-Rücktritte innert 24 Stunden, innere Zerrissenheit und ein Chaos während der Austritts-Vorbereitungen: Die Geschichte der heldenhaften Briten, die der EU mit ihrer Brexit-Abstimmung die lange Nase gezeigt hatten, droht für sie selber in einem Fiasko zu enden.
Premierministerin Theresa May versuchte für ihr Land aus dem Brexit – auch auf Druck der Wirtschaft und mit Rücksicht auf Irland – den besten Deal herauszuholen. Nach dem Rücktritt von Johnson und Davis wird aber der sture Kurs der Brexit-Hardliner Auftrieb erhalten. Die Austrittsverhandlungen könnten in eine Austrittsschlacht ausarten.
In den verbleibenden neun Monaten werden es die Briten kaum schaffen, die EU in Würde zu verlassen. Wenn sie sich mit Brüssel nicht darauf einigen, die Austrittsverhandlungen zu verlängern, kommt es am 29. März 2019 wohl zum harten Bruch ohne weiteren Zusammenarbeits-Vertrag. Es wäre der Moment, in dem sich das Königreich neu erfinden müsste.