Vor elf Monaten standen noch scharfe Haft und hohe Bussen auf den Besitz und Konsum von Cannabis in Thailand. Seit der Legalisierung am 9. Juni 2022 ist das südostasiatische Königreich das unangefochtene Kiffer-Paradies auf Erden. Shops, die «Ganja» verkaufen, wie das berauschende Kraut im Land genannt wird, gibt es mittlerweile fast an allen Strassenzügen. Feilgeboten werden Cannabis-Blüten mit Stärken, die selbst hartgesottene Kiffer aus Übersee umhauen.
THC-Gehalt von um die 25 Prozent ist leicht zu finden. Die Preise sind nicht billig, doch die Geschäfte boomen. Und selbst wenns verboten bleibt, im Freien zu rauchen: Auch in Bangkok liegt allenthalben der süsslich-würzige Duft in der Luft. Sehr zum Verdruss der Behörden, die die Kontrolle über die Legalisierung der zuvor kontrollierten Substanz zu verloren haben scheinen.
Mittlerweile wird auf Facebook und sozialen Medien selbst mit «Blumen-Buffets» geworben. Da gibts dann die exotischsten klebrigen Blüten von Indica- und Sativa-Züchtungen zu geniessen: beliebig viel, zum Pauschalpreis. Dies, während keine zwei Flugstunden entfernt in Singapur noch immer der Tod auf den Besitz von mehr als 500 Gramm Cannabis stehen kann. In Thailand dagegen stehen Cannabisblüten gleich kiloweise öffentlich zum Verkauf, so auch in Einkaufszentren, wo Shops Produkte mit verwunderlichen Namen wie «Mango Sticky Rice», «Chardonnay», «Cherry Runds», «Mac 2» oder «Super Lemon Haze» anbieten. Gezüchtet in Hightech-Labors im ganzen Land – und teils wohl auch illegal importiert. Der Markt scheint kaum reguliert.
Freizeitkonsum von Cannabis wäre eigentlich strafbar
Schliesslich hatte sich die Regierung in Cannabis ja auch einen Wirtschaftsmotor erhofft. Hanfprodukte, war man überzeugt, sollen der Textil-, Kosmetik- und anderen Industrien zu neuem Aufwind verhelfen. Gerade im wichtigen Tourismusbereich ahnte man auch riesige Chancen. Dabei sind nichtsahnende Touristen jetzt auch die Opfer von Thailands chaotischer Cannabis-Politik. Denn streng nach Gesetz dürfen Cannabis-Blüten nur für medizinischen Gebrauch verkauft und konsumiert werden. Darum scheint sich aber niemand zu kümmern. Beim Kauf fragt niemand nach Identitätspapieren oder einem Ausweis, dass man Cannabis als Heilmittel verordnet bekommen habe.
Dabei macht sich in Thailand nach wie vor strafbar, wer Cannabis zum Vergnügen konsumiert. Die meisten Touristen scheinen daher keinen Schimmer zu haben, dass ihnen Strafen drohen, wenn sie Cannabis als Rauschmittel besitzen und noch dazu im Freien kiffen.
Marisa Sukosol Nunbhakdi, Präsidentin des thailändischen Hotelverbandes, gibt freimütig zu, dass der Tourismussektor seit letztem Juni von der Legalisierung von Cannabis profitiert habe. Doch niemand scheine die Vorschriften zu kennen, selbst die Hotelbetreiber nicht. Gebe es zum Beispiel, fragt sie, ein Gesetz, das das Rauchen von Cannabis in Hotelzimmern untersage? Und wenn ja, was wäre die Strafe für den illegalen Konsum? «Wir sind nicht darüber aufgeklärt worden, wie wir mit solchen Fällen umgehen sollen», wird Sukosol Nunbhakdi von der «Bangkok Post» zitiert.
Tourismusindustrie fordert klare Vorschriften
Die jetzige Lage sei problematisch: «Wenn wir Cannabis zur Förderung des Medizintourismus einsetzen könnten, würde dies die Tourismusindustrie ergänzen», sagt Yuthasak Supasorn, Direktor der Tourismusbehörde (TAT). Viele im Land würden sich über den freilaufenden Cannabis-Konsum sorgen und beschweren. Für Tourismus, räumt Supasorn ein, sei Cannabis auch nicht so wichtig – «vielleicht drei Punkte auf einer Skala von zehn. Wir haben Stärken in vielen anderen Bereichen.» Bestehende Tourismusprodukte müssten ausreichen, sagt der thailändische Tourismuschef. Man dürfe sich nicht auf Cannabis verlassen, um Thailand als Reiseziel zu vermarkten.
«Es gibt viele Lücken in der Cannabis-Gesetzgebung», sagt auch Chotechuang Soorangura vom Thailändischen Verband der Reisebüros (TTAA). Die Legalisierung drohe mehr Probleme als Chancen zu bringen. Touristen drohe sogar, dass Cannabis ohne ihr Wissen ins Essen oder Getränke gemischt werde. Und was, fragt Soorangura rhetorisch, wenn sie bei der Rückkehr in ihr Heimatland erwischt oder stichprobenartig getestet werden, ganz zu schweigen von möglichen Rauschzuständen. «Die Legalisierung von Cannabis kann weitergehen», sagt der führende Vertreter der Tourismusindustrie. «Doch wir brauchen klare Vorschriften und müssen einen Schritt zurücktreten, um auch die eigene Bevölkerung aufzuklären.»