Nach dem Terroranschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt hat Innenminister Thomas de Maizière ein allgemeines Versagen der Sicherheitsbehörden im Fall des mutmasslichen Attentäters Anis Amri von sich gewiesen. «Es gibt bisher juristisch keine ausreichende Möglichkeit, jeden dieser Gefährder rund um die Uhr überwachen zu lassen», sagte der CDU-Politiker der «Bild am Sonntag».
Zu diesem Zeitpunkt schon ein abschliessendes Fazit zu ziehen, wäre nicht seriös, betonte de Maizière. «Selbstverständlich werden wir den Fall aber bis ins Detail aufarbeiten und einen entsprechenden Bericht vorlegen.»
Amri war am Freitag bei einer Routinekontrolle bei Mailand von italienischen Polizisten erschossen worden. Weil er als abgelehnter Asylbewerber und Gefährder zuletzt aus dem Visier der deutschen Behörden verschwunden war, kommen aus der Politik zunehmend Rufe nach schärferen Gesetzen - vor allem aus den Unionsparteien CDU und CSU.
CDU-Vizeparteichef Armin Laschet forderte im Radiosender WDR 5 zu untersuchen, welche gesetzlichen Regelungen verbessert und welche Lücken in der inneren Sicherheit geschlossen werden müssten. Auch CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer mahnte in einem Interview der «Passauer Neuen Presse», es sei «wichtig, einen neuen Haftgrund für Ausreisepflichtige zu schaffen, von denen eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht». Amri sei für eine solche Haft prädestiniert gewesen: «Er war ein hochbrisanter Gefährder.»
In der Debatte um härtere Asylgesetze öffnet sich ein parteipolitischer Graben, der auch durch die Bundesregierung in Berlin führt. Innenminister de Maizière forderte deshalb Koalitionspartner SPD sowie die oppositionellen Grünen auf, ihre Abwehrhaltung bei neuen Asylgesetzen aufzugeben.
Wären Tunesien, Marokko und Algerien als sichere Herkunftsstaaten eingestuft, würden Asylverfahren auch bei Tunesiern schneller und einfacher verlaufen als bisher. Er habe weder vor dem aktuellen Fall noch danach Verständnis für die Blockadehaltung der Grünen.
Bislang steht eine Einigung bei der Einstufung der Maghreb-Staaten aus. Das geplante Gesetz soll die Asylverfahren von Menschen aus diesen Staaten verkürzen, sodass schnellere Abschiebungen möglich werden.
Die Oppositionsparteien Grüne und Die Linke kritisierten hingegen, dass bestehende Befugnisse etwa bei der Überwachung des als gefährlich eingestuften Islamisten nicht ausreichend genutzt worden seien. Der Tunesier Amri habe als «Top-Gefährder» gegolten, sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter der «Saarbrücker Zeitung». «Warum es trotzdem keine wirksame Überwachung gab, ist mir ein grosses Rätsel.»
Auf der heutigen gesetzlichen Grundlage hätte es die Möglichkeit gegeben, einen Gefährder wie Amri umfassend zu überwachen. «Nach allem, was man bislang erkennen kann, haben wir im vorliegenden Fall kein Gesetzesdefizit, sondern ein Vollzugsdefizit», sagte Hofreiter.