Ihr Lächeln ist unergründlich und geheimnisvoll, ihr Blick scheint den Betrachter zu verfolgen - und plötzlich blinzelt die Mona Lisa tatsächlich und ihre Mundwinkel ziehen sich noch ein bisschen mehr nach oben. Nicht das Original, sondern die animierte Version, die Florent Aziosmanoff erschaffen hat.
«Nach meiner Meinung und der vieler Experten wollte schon Leonardo da Vinci sein Modell lebendig werden lassen», sagt Aziosmanoff, der seit Jahren in der digitalen Kunstszene aktiv ist. «Heute verfügen wir über die Möglichkeiten, diese Persönlichkeit zum Leben zu erwecken - mit zusammengesetzten Bildern, künstlicher Intelligenz und vernetzten Objekten.»
Fast ein Jahr lang arbeiteten rund 40 Spezialisten des Instituts des Internets und des Multimedialen in La Défense an der Stadtgrenze zu Paris daran, die gemalte Mona Lisa in eine Dame in 3D zu verwandeln, ihr künstliche Intelligenz einzuhauchen und so etwas wie eine Persönlichkeit zu geben.
Über dem digitalen Gemälde angebrachte Sensoren, wie sie auch bei bestimmten Spielkonsolen verwendet werden, erfassen die Bewegungen der Betrachter vor dem Objekt. Die Mona Lisa interpretiert dann das Verhalten des Betrachters und reagiert entsprechend, je nach ihrer «Laune».
«Wir haben ein beinahe psychologisches Persönlichkeitsprofil von Mona Lisa erstellt», sagt Institutsleiter Jean-Claude Heudin. «Das wurde dann in eine Reihe von Parametern umgewandelt, die in das künstliche Neuronen-Netz eingespeist wurden, um einen emotionalen Metabolismus zu simulieren.»
«Wenn sich jemand angenehm und positiv verhält, verstärkt die Mona Lisa ihr Lächeln und wird freundlicher», erklärt Aziosmanoff. «Aber wenn die Leute unruhig sind, dann läuft es nicht so gut - sie haben nicht verstanden, dass es darum geht, in einem ruhigeren Kontakt zu sein, und dann reagiert die Mona Lisa ein bisschen sauer.»
Und so wird ihr Lächeln manchmal stärker, manchmal verschwindet es. Sie bewegt ihre Augen und senkt oder hebt ihren Kopf.
Das «Living Joconde» (Lebende Mona Lisa) genannte Projekt ist aber nicht nur eine Spielerei von Kunstliebhabern. Institutsleiter Heudin hofft auf wissenschaftliche Erkenntnisse: «Eines der künftigen Ziele ist es, eine emotionale Entwicklung zu haben, die aus den Erfahrungen, den vergangenen Interaktionen des Systems herrührt».
Die digitale Mona Lisa soll aber auch zu Geld gemacht werden. So liess Aziosmanoff vom Schmuckhersteller Mathon eine Amulett-Fassung entwerfen, die um den Hals getragen werden kann. Es gehe darum, «eine intime Beziehung zu teilen, als sei es eine Vertraute», sagt Aziosmanoff. Die Mona Lisa, das wohl bekannteste Ausstellungsstück im Pariser Louvre, solle aus dem Museums-Raum herausgeholt werden.
Künftige Käufer sollen sich die Mini-Version der digitalen Mona Lisa auch zu Hause auf eine Halterung in Form eines Gemäldes stellen können. «Die Idee ist, sie nicht zu Hause in eine Schublade zu stecken, sondern sie auszustellen», erklärt Aziosmanoff.
Mit einem Tamagotchi - jenem in den 1990er Jahren weit verbreiteten virtuellen Haustier aus Japan, das gefüttert und gestreichelt werden musste - habe seine Mona Lisa aber nichts zu tun, betont der Projektleiter. Seine Mona Lisa habe «ihre Unabhängigkeit und ihre Feinsinnigkeit».