Auf Kuba kippt die Stimmung
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Blutige Proteste auf Kuba:Regierung hetzt Anhänger auf Demonstranten

Tausende protestieren gegen das Regime, dieses hetzt «Revolutionäre» auf die Demonstranten
Auf Kuba kippt die Stimmung

Es sind die grössten Proteste seit Jahrzehnten: Tausende gehen am Sonntag auf Kuba auf die Strasse und demonstrieren gegen das Regime. Die Regierung ruft ihre Anhänger zum Widerstand auf.
Publiziert: 12.07.2021 um 20:13 Uhr
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Aktualisiert: 13.07.2021 um 07:11 Uhr
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Demonstranten stossen einen Polizeiwagen in der Hauptstadt Havanna um.
Foto: AFP
Helena Schmid

Mit vereinten Kräften heben die Demonstranten das Auto an, stossen es aufs Dach. Es knallt und klirrt, die Scheiben zerbersten. Auf dem eingedrückten Blech prangt das Wappen der Polizei. Ein Mann steigt auf den umgekippten Wagen und hält die kubanische Flagge hoch in den Wind.

Tausende Demonstranten wüten am Sonntag auf den Strassen des Landes, singen Parolen: «Nieder mit der Diktatur, nieder mit dem Kommunismus.» Die Polizei schiesst Tränengas und Gummischrot. Anhänger der Regierung gehen mit Knüppeln auf die Meute los. Entfesselte Gewalt. Kubaner gegen Kubaner.

«Wir haben Hunger!»

Die Proteste am vergangenen Wochenende auf Kuba sind die grössten seit Jahrzehnten. Das Land steckt in einer schweren Wirtschaftskrise. Die Bevölkerung leidet – Armut und Not sind Alltag.

Die Situation spitzte sich in den letzten Jahren weiter zu. Einerseits nachdem der ehemalige US-Präsident Donald Trump (75) die Sanktionen gegen Kuba verschärfte. So konnten die in den USA arbeitenden Kubaner ihre Familien auf der Insel kaum noch versorgen. Und Joe Biden (78) hat die Sanktionen bisher kaum gelockert. Andererseits brach mit der Corona-Pandemie der wichtigste Wirtschaftszweig weg: der Massentourismus.

Videos in den sozialen Netzwerken zeigen, wie Demonstranten am Sonntag die Staatsläden plündern. «Wir haben Hunger», schreien sie.

Präsident ruft zur Gegendemo auf

Die Proteste formierten sich zunächst am Sonntagmorgen in San Antonio de los Baños, 35 Kilometer vor Havanna. Von da an breiteten sie sich auf das ganze Land aus. Präsident Miguel Díaz-Canel (61) fuhr noch gleichentags in die Kleinstadt, um die Massen zu beruhigen. Doch da war es schon zu spät.

Am Nachmittag hetzte er im kubanischen Staatsfernsehen gegen die USA: «Wir werden nicht erleben, dass auch nur ein Konterrevolutionär, der sich an die USA verkauft hat, unser Land destabilisiert.» Er rief die «Revolutionären» und die «Kommunisten» zum «Kampf» auf. Kurz darauf formierten sich Regierungsanhänger in den Strassen von Havanna.

«Aufruf zum Bürgerkrieg»

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Die Ansage des Präsidenten schlug hohe Wellen, auch international. «Welche Unverantwortlichkeit – das ist ein Aufruf zum Bürgerkrieg», kommentierte die bekannte Oppositionelle Yoani Sánchez (45) den Aufruf des Staatschefs auf Twitter.

Erst im April hat Díaz-Canel die Führung der Kommunistischen Partei von Raúl Castro übernommen. Letzterer war der jüngere Bruder des verstorbenen Revolutionsführers Fidel Castro, den auf Kuba viele verehren.

Mehrere Demonstranten wurden am Sonntag bei den Protesten festgenommen oder verletzt. Ein Bild zeigt einen Fotografen der Agentur AP mit blutüberströmtem Gesicht. Mehrere Stunden lang kappte die Regierung auf der gesamten Insel das Internet. Trotzdem gelangten Fotos und Videos der Demonstration in die sozialen Netzwerke. Dort organisiert sich nun der Widerstand – und ruft zu weiteren Protesten auf.


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