Mit einem Messerangriff auf den Bischof der assyrischen Gemeinde in Sydney am Montag hat ein Jugendlicher (16) schwere Krawalle in der australischen Küstenmetropole ausgelöst.
Nach seiner live im Internet übertragenen Tat, von den Ermittlern rasch als Terrorattacke eingestuft, zog am Montagabend (Ortszeit) ein wütender Mob vor die Kirche im westlichen Vorort Wakeley. Die Lage eskalierte, aus Dutzenden Krawallmachern wurden schnell Hunderte, die sich Strassenschlachten mit der Polizei lieferten. Am Dienstag blickt Sydney auf eine weitere Nacht der Gewalt zurück und appelliert an seine Landsleute, keine Selbstjustiz zu üben.
Ziegelsteine gegen Polizisten, drohende Festnahmen
Doch die Emotionen in der Stadt kochen hoch. Angesichts der aufgebrachten Menge vor der Kirche verschanzten sich die Sanitäter in dem Gotteshaus und trauten sich über Stunden nicht nach draussen, während vor der Tür die zahlenmässig weit unterlegenen Polizisten ins Visier der Krawallmacher gerieten. «Plötzlich standen sie selbst in der Schusslinie», schilderte eine Polizeisprecherin. «Aus 50 wurden 500 Leute, für ein paar Stunden war die Lage ziemlich unkontrollierbar.»
Mit Ziegelsteinen und Zaunpfählen seien die Beamten attackiert worden, mehrere wurden verletzt, ein Polizist erlitt einen Kieferbruch. 20 Einsatzfahrzeuge wurden beschädigt, zehn sind nicht mehr einsatzbereit. In Australien, wo die Polizei grossen Respekt geniesst und für ihr striktes Durchgreifen bekannt ist, haben solche Szenen Seltenheitswert. Am Morgen nach der Gewalt-Nacht versprach die Polizei, dass die Sicherheitsbehörden alle Gewalttäter ermitteln werden. «Alle, die an diesen Ausschreitungen beteiligt waren, können damit rechnen, dass wir an ihre Tür klopfen werden. Vielleicht nicht heute, vielleicht nicht morgen, aber wir werden euch finden und wir werden euch festnehmen.»
Polizei geht von «religiös motiviertem Extremismus» aus
Zum Tatmotiv des Jugendlichen sagt die Polizei: Alles deute auf «religiös motivierten Extremismus» hin. Der Jugendliche habe offensichtlich allein gehandelt, sei schon vorher polizeibekannt gewesen, aber nicht wegen Terrorverdachts aufgefallen.
Bereits 2020 sei er mit einem Messer in der Schule erschienen, berichten australische Medien. Vor einigen Monaten sei er dann wegen einer Reihe von Straftaten - unter anderem wegen des Besitzes eines Messers «in der Absicht, eine strafbare Handlung zu begehen» - angeklagt worden. Wegen guter Führung sei sein Fall gegen eine Kaution abgewiesen worden.
Das Chaos von Wakeley wühlt die Millionenmetropole Sydney auch deshalb so auf, weil viele Menschen noch immer unter dem Eindruck des jüngsten Geschehens im Osten der Stadt stehen. In einem Einkaufszentrum hatte ein psychisch kranker Mann am Samstag mit einem Messer auf Passanten eingestochen und sechs Menschen getötet.
«Angst, dass das als muslimisches Problem gesehen wird»
Umso mehr bemühte sich Australiens Premierminister Anthony Albanese nun darum, die Wogen zu glätten. Dass die Menschen verunsichert und besorgt seien, könne er angesichts der jüngsten Ereignisse gut verstehen. «Aber es ist inakzeptabel, Polizisten an ihrer Arbeit zu hindern und zu verletzen.» Der Regierungschef von New South Wales, Chris Minns, sagte dem Radiosender 2GB Sydney, er ziehe angesichts der Vorfälle eine weitere Verschärfung der Regeln zum Besitz von Messern in Erwägung.
Der Imam der Moschee im Stadtteil Lakemba berichtete, nach dem Angriff auf den Bischof sei mit einem Brandbombenanschlag auf das islamische Gotteshaus gedroht worden. «Ich bin besorgt, dass das als ein muslimisches Problem behandelt wird», wurde Dschamal-Ud-Din El-Kiki in australischen Medien zitiert. «Es geht aber um einen Teenager mit einem Messer, der sich entschlossen hat, eine fürchterliche Tat zu begehen.» (SDA)