Täglich neue Drohungen: Kim und Trump schaukeln sich hoch
Beginnt so der nächste Weltkrieg?

Donald Trump und Kim Jong Un: Sie wirken wie zwei scheinbar irrationale Spieler, denen es immer um alles oder nichts geht. Ihr dauerndes Brusttrommeln in der Manier zweier Gorillamännchen könnte man kaum ernst nehmen – wären sie nicht mit der schrecklichsten Waffe der Menschheitsgeschichte ausgerüstet.
Publiziert: 10.08.2017 um 23:59 Uhr
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Aktualisiert: 07.10.2018 um 11:40 Uhr
Johannes von Dohnanyi

Insgeheim hofft die Welt noch immer, dass keiner von beiden einen Krieg wirklich wünscht. Doch inzwischen fürchten manche, Trump und Kim könnten sich gegenseitig so hochschaukeln, dass es für einen von ihnen plötzlich keinen anderen Ausweg mehr gibt.

Dafür gibt es ein historisches Beispiel: Im Sommer von 1914 vergassen die europäischen Mächte die elementarsten Regeln der Diplomatie und berauschten sich stattdessen an immer wilderen Drohgebärden.

«Feuer und Wut»

Ein bisschen wie vorgestern, als Trump gegen Nordkoreas Drohungen drohte: «Die sollen besser damit aufhören. Sonst werden wir ihnen mit Feuer und Wut begegnen, wie die Welt es noch nie gesehen hat.» Das klang ähnlich wie «der Regen des Verderbens», der Präsident Harry Truman den Japanern vor Abwurf der Hiroshima-Bombe androhte. Kein Wunder, wird es der Welt plötzlich unheimlich.

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Grafik gestern in Südkoreas Fernsehen: Ein nordkoreanischer General hatte den Beschuss der Insel Guam im Pazifik durch vier Atomraketen angedroht.
Foto: AP/Ahn Young-joon

Aber Kim droht seinerseits weiter. Dem «Typ da im Weissen Haus», spottete er gestern, mangle es an Verständnis für «den Ernst der Lage. – und das geht unseren Artilleristen gehörig auf die Nerven.» Doch dann wird einer von Kims Generälen so präzis wie nie zuvor: «Vier Hwasong-12-Raketen, abgeschossen durch die Volksarmee, werden den Himmel über den japanischen Präfekturen Shimane, Hiroshima und Kochi überqueren. Sie werden 3356,7 Kilometer fliegen, während 1065 Sekunden, und das Meer treffen, 30 bis 40 Kilometer vor Guam.»

Die westpazifische Insel ist US-Territorium. Auf ihr leben immerhin 162'000 Menschen – davon 6000 US-Soldaten.

Atomwaffen zum Erhalt des Hungerregimes

Warum lässt der Stalinist das Drohen nicht? Ist Kim etwa das Schicksal von Diktatoren wie Saddam Hussein oder Muammar al-Gaddafi nicht bekannt? Im Gegenteil: Er ist sicher, die Bombe zum Erhalt seines Hungerregimes zu brauchen. Denn, so ist er überzeugt, hätten die Regenten von Irak oder Libyen über Atomwaffen verfügt, wären sie nie gestürzt worden.

Und für Trump geht es jetzt um seine letzten Spuren Glaubwürdigkeit. Er twitterte am Mittwoch, er habe gleich nach Amtsantritt das amerikanische Atomwaffenarsenal modernisiert – was mal wieder eine freche Lüge war. Denn so ein Programm dauert Jahre. Aber die Provokationen der Nordkoreaner kommen Trump letztlich ganz recht.

Sie lenken davon ab, dass seine Präsidentschaft ein Desaster ist. Die versprochene Reform der Gesundheitsreform scheiterte an den eigenen Republikanern. Die Mauer an Mexikos Grenze bleibt Fiktion. Und der vom Justizministerium eingesetzte Sonderermittler Bob Mueller, der illegale Verbindungen zum Kreml untersucht, rückt dem Trump-Team immer näher.

Es braucht einen Vermittler

Mehr denn je bräuchte es einen Vermittler zwischen Trump und Kim. Doch die Amerikaner trauen den Chinesen nicht. Russlands Wladimir Putin ist wegen der Mueller-Ermittlungen keine Option mehr. Und von der Uno hält Trump ohnehin nichts.

Und so ähnelt die ostasiatische Krise tatsächlich jenen Tagen vor 103 Jahren. Als aus einem Attentat auf Österreichs Thronfolger in Sarajevo innert sechs Wochen die Kriegserklärung des deutschen Kaisers an Russland erwuchs.

Und der Erste Weltkrieg begann.

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