Nach starkem Druck der Türkei und der USA ziehen sich die syrischen Kurden im Norden des Landes aus Gebieten unter ihrer Kontrolle zurück. Einen Tag nach dem Einmarsch türkischer Truppen in Syrien und der Vertreibung der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) aus der Grenzstadt Dscharablus begannen die syrischen Kurden, wie von Ankara und Washington gefordert, ihre Einheiten in die Region östlich des Flusses Euphrat zu verlegen.
Die Türkei erklärte zugleich, sie werde ihren Militäreinsatz in Nordsyrien solange fortsetzen, bis die Kurden auf die andere Flussseite zurückgedrängt seien. Zehn Kampfpanzer und Truppentransporter rollten am Donnerstag bei Karkamis über die Grenze, wie ein AFP-Fotograf berichtete. Ankara will verhindern, dass die Kurden in Syrien ihr Herrschaftsgebiet weiter vergrössern und dort noch mehr Autonomie bekommen.
Gemäss «Hürriyet» will die Regierung in Ankara im Norden Syriens eine Pufferzone einrichten, die «frei von Terrorgruppen» sei. Die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu meldete, US-Aussenminister John Kerry habe seinem türkischen Kollegen Mevlüt Cavusoglu in einem Telefongespräch am Donnerstag versichert, die Verlegung der kurdischen Verbände sei im Gange.
Der Sprecher der US-geführten internationalen Koalition, John L. Dorrian, erklärte, der Grossteil der Demokratischen Kräfte Syriens habe sich östlich des Euphrats zurückgezogen. Einige Einheiten seien jedoch zurückgeblieben, um zusammen mit Anwohnern Sprengfallen zu beseitigen und sicherzustellen, dass es keine IS-Schläferzellen gebe. Bei den Demokratischen Kräften Syriens handelt es sich um ein Bündnis, dass von der Kurdenmiliz YPG dominiert wird.
Auch die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete, Teile dieser Koalition hätten sich östlich des Flusses zurückgezogen. Die YPG selbst teilte mit, ihre Kräfte hätten die von ihr eingenommene Stadt Manbidsch westlich des Euphrats schon Mitte August an den lokalen Militärrat übergeben.
Die YPG ist in Syrien im Kampf gegen den IS der wichtigste Partner der internationalen Koalition. Die Kurden haben von den Extremisten im Norden Syriens mit Luftunterstützung der Koalition grosse Gebiete erobert und dort eine Selbstverwaltung ausgerufen. Zudem kontrollieren die Kurden den grössten Teil der Grenze zur Türkei.
US-Vizepräsident Joe Biden hatte die syrischen Kurden am Mittwoch bei einem Besuch in Ankara aufgefordert, sich östlich des Euphrats zurückzuziehen. Nach Angaben der syrischen Menschenrechtsbeobachter kam es in der Region um die Grenzstadt Dscharablus zu Scharmützeln zwischen Kurden und syrischen Rebellen.
Diese hatten am Mittwoch zusammen mit türkischen Panzern die Grenze überquert und Dscharablus vom IS eingenommen. Es ist die erste türkische Bodenoffensive in Syrien seit Ausbruch der Bürgerkriegs vor mehr als fünf Jahren.
Am ersten Tag der «Schutzschild Euphrat» benannten Militäroperation wurden nach Angaben des türkischen Verteidigungsministers Fikri Isik zwei syrische Kämpfer getötet. Zwei Angehörige der Freien Syrischen Armee (FSA) seien bei der Rückeroberung von Dscharablus verwundet worden.
Türkische Verluste habe es keine gegeben. «Kein Angehöriger der türkischen Streitkräfte ist verwundet worden», sagte Isik dem türkischen Nachrichtensender NTV. Wie viele türkische Soldaten am Einsatz beteiligt sind, wollte der Minister nicht sagen.
Die Rebellen sprachen von rund 3000 eigenen Kämpfern. Diese hätten sich «seit Monaten» auf den Einsatz vorbereitet, sagte ein Vertreter der Oppositionsmiliz Al-Dschabha al-Schamia, der nicht namentlich genannt werden wollte, der Nachrichtenagentur dpa in der südosttürkischen Stadt Gaziantep.
Etwa 500 Kämpfer seien in der sogenannten 60. Brigade von der Türkei in der Provinz Gaziantep aufgebaut worden. Das Ziel der Rebellen sei es, den IS «aus der Gegend zu verdrängen» und ein zusammenhängendes Gebiet der Kurdenmiliz YPG zu verhindern.
Die Ziele der Rebellen decken sich damit mit denen der Türkei. Auf die Frage, ob es auch eine Konfrontation mit kurdischen Milizen geben könnte, antwortete der Kämpfer: «Wenn wir müssen, dann kämpfen wir auch gegen die Kurden.»