Streit um Trauerfeier für Helmut Kohl (†87)
Abrechnungen über den Tod hinaus

Noch im Tod sorgt Helmut Kohl in Deutschland für Streit. Eine Versöhnung seiner Witwe mit den Söhnen und politischen Gegnern des Altkanzlers wird immer unwahrscheinlicher.
Publiziert: 23.06.2017 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2018 um 15:41 Uhr
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Im Sarg wird Helmut Kohl den Rhein hinab nach Speyer überführt. Möglichst viele Menschen sollen sich verabschieden können, vom Mann, ohne den es die deutsche Einheit nicht gäbe.
Foto: ULLSTEIN BILD
Johannes von Dohnanyi

Noch keine Woche ist es her, dass Helmut Kohl im Alter von 87 Jahren verstarb. Noch ist der «Vater der deutschen Einheit», wie der Altkanzler zu Lebzeiten gerne genannt wurde, nicht unter der Erde. Doch bereits jetzt ist die alte Fehde zwischen Kohls Söhnen und seiner zweiten Ehefrau und Witwe Maike Kohl-Richter wieder voll entflammt.

Schon am Todestag des Vaters hatte der ältere Sohn Walter das Elternhaus erst nach längerer Diskussion betreten dürfen. Dann, am vergangenen Mittwoch, stand der Unternehmer erneut vor dem Bungalow in Oggersheim. Diesmal mit seinen beiden extra aus China angereisten Söhnen. Doch nicht nur blieb die Tür versperrt. Die vor dem Haus postierten Polizisten forderten den Sohn und die Enkel des Toten sogar vor laufenden Kameras auf, den Ort sofort zu verlassen. Der trauernden Witwe sei keine andere Wahl geblieben, liess ihr Anwalt wenig später verlauten: Walter Kohl habe die Eskalation des Familienstreits bewusst provoziert. 

Öffentlichkeit genervt

Die Öffentlichkeit ist nicht nur von diesem unwürdigen Gezanke genervt. Als geradezu ungehörig wird der Anspruch der Witwe empfunden, Ablauf, die Gäste- und sogar die Rednerliste der offiziellen Trauerfeiern bestimmen zu können.

Kanzlerin Angela Merkel etwa sollte nach den Vorstellungen Kohl-Richters überhaupt nicht reden dürfen. Schliesslich hatte es ihr der Altkanzler nie verziehen, dass sie im Rahmen der Parteispendenaffäre im Dezember 1999 öffentlich zu seinem Sturz aufgerufen hatte. Und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier war bei Kohl in Ungnade gefallen, weil er nach dessen Kanzlerschaft als Sonderermittler dem Verdacht nachgegangen war, der Christdemokrat habe in letzter Stunde noch wichtige und ihn belastende Akten aus dem Spendensumpf vernichtet.

Als Frau Kohl-Richter nach Informationen des «Spiegels» dann auch noch versuchte, den umstrittenen ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbàn als Redner einzuladen, war das Mass der Geduld wohl voll. Art und Ort der Würdigung «einer herausragenden politischen Lebensleistung in und für Deutschland sind, bei allem Respekt, nicht nur eine Familienangelegenheit», musste sich die Witwe von Bundestagspräsident Norbert Lammert während der offiziellen Gedenkstunde im Berliner Parlament am Donnerstagvormittag sagen lassen.

Und so nimmt die offizielle Verabschiedung von Helmut Kohl langsam Gestalt an. Am 1. Juli wird Deutschlands «ewigem Kanzler» als erstem Politiker überhaupt die Ehre einer Europäischen Gedenkveranstaltung im Europaparlament in Strassburg zuteilwerden.

Im Anschluss daran wird der Sarg auf dem Deck eines deutschen Kriegsschiffs rheinabwärts in die Domstadt Speyer überführt werden. Die Organisatoren hoffen auf möglichst viele Menschen, die vom Ufer aus Abschied von dem Mann nehmen, ohne den es die deutsche Einheit wohl nicht gegeben hätte.

Im Dom zu Speyer, den der gläubige Katholik Kohl gern als seine «Hauskirche» bezeichnete, soll dann der offizielle deutsche Trauerakt für den Mann stattfinden, der nach dem Fall der Berliner Mauer am 8. November 1989 als einer der Ersten erkannte, dass es die Vereinigung der beiden deutschen Staaten ohne eine verstärkte europäische Integration nicht geben würde.

Letzte Würdigung von Clinton und Macron

Kein Wunder also, dass nicht nur die aus Ostberlin stammende Kanzlerin Merkel und Bundespräsident Steinmeier an diesem Tag reden werden. Auch der frühere US-Präsident Bill Clinton und – besonders wichtig – der neue französische Präsident Emmanuel Macron werden Helmut Kohl ein letztes Mal würdigen.

Wohl lange noch weitergehen wird die öffentliche Debatte um die politische Bedeutung des «schwarzen Riesen» Kohl auch nach seiner Bestattung. Auf eigenen Wunsch nicht im Familiengrab in Oggersheim, sondern im Schatten «seines» Doms zu Speyer.

Und keine Versöhnung ist im Familienstreit zwischen der Witwe und den Söhnen des Altkanzlers in Sicht. Zugegeben – die Sturheit Helmut Kohls war legendär. Aber ob er so weit gegangen wäre?

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