Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon (52) gibt ihr Amt auf. «Ich kündige meine Absicht an, als Regierungschefin und Chefin meiner Partei zurückzutreten», sagte sie am Mittwoch in Edinburgh. Auch wenn diese Entscheidung für viele überraschend und für manche zu früh komme, wisse sie «mit meinem Herzen und meinem Verstand, dass dies der richtige Zeitpunkt» sei.
Zuletzt geriet sie wegen eines problematischen Falls einer Transfrau und des umstrittenen Gender-Gesetzes in die Schlagzeilen.
Mit dem Gesetz, dem das schottische Parlament zugestimmt hat und das von der britischen Regierung blockiert wird, soll unter anderem die Pflicht für ein medizinisches Gutachten als Voraussetzung für eine Änderung des Geschlechtseintrags entfallen. Kritikerinnen wie «Harry Potter»-Autorin Joanne K. Rowling (57) warnen, Männer könnten die vereinfachten Regelungen ausnützen, um aus sexuellen Motiven in Bereiche einzudringen, die Frauen vorbehalten sind, wie zum Beispiel Damenumkleiden oder -toiletten.
Vergewaltiger landete im Frauengefängnis
Dieses Gesetz wollte sich offenbar auch ein wegen Vergewaltigung von zwei Frauen verurteilter Mann (31) zunutze machen. Während des Prozesses hatte Adam G.* beschlossen, sein Geschlecht zu wechseln. Isla B.* – wie die Frau seit ihrem Übergang heisst – hatte angegeben, Hormone zu nehmen und sich später operieren lassen zu wollen. Nach dem Urteil Ende Januar ist sie deshalb als Transfrau zunächst in einem reinen Frauengefängnis in Cornton Vale gelandet.
Doch zwei Tage später – nachdem massive Proteste laut wurden – wurde B. in ein Männer-Gefängnis nach Edinburgh verlegt. Sturgeon verkündete: «In Anbetracht der verständlichen Bedenken der Öffentlichkeit und des Parlaments kann ich bestätigen, dass die Gefangene nicht in Cornton Vale inhaftiert wird.»
«Das sind keine Trans-Personen»
Später geriet Sturgeon in die Bredouille, als sie den Fragen des Parlamentariers Douglas Ross (40) zum Thema Isla B. auszuweichen versuchte. Der konservative Politiker fragte Sturgeon, ob sie glaube, dass B. jetzt eine Frau sei, da dies einen Einfluss darauf habe, ob sie nach ihrer Entlassung Zugang zu sicheren Räumen habe.
Sturgeon antwortete lediglich: «Ich denke, dass ein Vergewaltiger als Vergewaltiger betrachtet werden sollte. Das ist meine Meinung. Diese Person ist wegen Vergewaltigung verurteilt worden, und das ist die richtige Terminologie. Ich werde nicht auf die individuellen Umstände eingehen, unter denen die betreffende Person behauptet, eine Frau zu sein, weil ich darüber nicht genügend Informationen habe.»
Für Ross offenbar absolut unverständlich. «Er hat zwei Frauen vergewaltigt. Er ist ein misshandelnder Mann, der versucht, Schlupflöcher in der derzeitigen Politik der Regierung auszunutzen. Wir sind der Meinung, dass ein Mann, der zwei Frauen vergewaltigt, nicht als Frau betrachtet werden sollte, nur weil er das behauptet, sondern dass wir solche Kriminellen, die das System missbrauchen, anprangern sollten. Das sind keine Trans-Personen. Es sind gewalttätige und gefährliche Männer.»
Der Fall Isla B. spitzte die Kontroverse zu und wurde Sturgeon schliesslich zum Verhängnis. Auch wenn sie selbst den Zusammenhang abstreitet. Ihr Rücktritt sei keine Reaktion auf den Streit. Stattdessen merke sie mittlerweile, welchen körperlichen und psychischen Spuren die grossen Belastungen der Corona-Pandemie für sie als Regierungschefin hinterlassen haben. (man)
* Namen bekannt