Die Wahl von Tausenden Gemeinde- und Bezirksräten in England, Schottland und Wales gilt als wichtiger Stimmungstest für den seit Monaten wegen des Skandals um Lockdown-Feiern im Regierungssitz im Feuer stehenden Premierminister Boris Johnson. Seine Tory-Partei ist ausserdem geplagt von einer Reihe weiterer Vorwürfe, darunter Sexismus- und Korruptionsfälle.
Der Premier selbst gilt wegen seiner Verstrickung in die Affäre aber zunehmend als Belastung für seine Konservative Partei. Vielerorts distanzierten sich Kandidaten von Johnson und traten demonstrativ als «örtliche Konservative» an, wie die Zeitung «Guardian» berichtete. In der nordostenglischen Stadt Hartlepool hätten die Tories die Wähler auf Flugblättern gebeten, sie nicht für die Fehler der Regierung zu bestrafen. «Wir kommen von hier und sind stolz darauf, wo wir leben», hiess es demnach.
Erwartet wird, dass die Tories empfindliche Verluste hinnehmen müssen. Das gilt etwa im Londoner Bezirk Wandsworth oder in der Küstenstadt Southampton als möglich. Doch ob sich Johnson um seine Chancen auf Wiederwahl beim nächsten nationalen Urnengang sorgen muss, dürfte vor allem davon abhängen, wie die Tories im Vergleich zu den Wahlergebnissen der vergangenen Jahre abschneiden.
Je nachdem, wie verheerend die Wahlen für die Konservativen ausgehen, könnte Johnsons Position in der eigenen Fraktion infrage gestellt werden. Einige Parteikollegen, die ihren Parteichef seit der «Partygate»-Saga nicht mehr für tragbar halten, wollten die Wahlen abwarten, bis sie entscheiden, ob sie Johnson ihr Misstrauen aussprechen.
Johnson, der selbst direkt nicht zur Wahl steht, gab am Donnerstag in der Nähe seines Amtssitzes in der Downing Street als einer der ersten Wähler seine Stimme ab. Sein Londoner Bezirk Westminster wird bisher von der Konservativen Partei regiert, aber gilt auch als einer der am stärksten umkämpften Wahlkreise.
Oppositionsführer Keir Starmer, der hofft, von den Problemen der Tories profitieren zu können, gab am Morgen mit seiner Frau im Norden Londons seine Stimme ab. Auf Zugewinne können auch die Liberaldemokraten hoffen.
Wie schon bei vorherigen Wahlen setzten viele Wählerinnen und Wähler ihre tierischen Begleiter in den sozialen Medien in Szene: Unter dem Hashtag #dogsatpollingstations sammelten sich etliche Fotos von Hunden, die neben Wahllokalen auf ihre Herrchen oder Frauchen warten.
Die Wahlberechtigten - dazu gehören in Schottland und Wales auch bereits 16- und 17-Jährige - sollten bis 23.00 Uhr (MESZ, 22.00 Uhr Ortszeit) Zeit haben, ihre Stimme abzugeben. Ergebnisse werden erst im Laufe des Freitags erwartet.
In Nordirland wird zeitgleich ein neues Regionalparlament gewählt. Die Partei Sinn Fein, die sich für eine Vereinigung Nordirlands mit der Republik Irland einsetzt, könnte erstmals stärkste Kraft werden. Die kommende Regierungsbildung dürfte sich schwierig gestalten.
(SDA)