Der Favorit Iván Duque von der rechten Partei Centro Democrático will das Abkommen mit den früheren Rebellen in entscheidenden Punkten ändern. Sein Gegner Gustavo Petro von der linken Bewegung Colombia Humana hingegen verspricht, am Vertrag festzuhalten und die Umsetzung zu beschleunigen.
Wahlergebnis beeinflusst Situation mi FARC
«Ein Wahlsieg von Duque würde grosse Veränderungen für den Friedensprozess bedeuten», warnt Gimena Sánchez-Garzoli vom Forschungsinstitut Washington Office on Latin America. «Zwar wird die Farc-Führung bei einer Modifizierung des Abkommens nicht sofort wieder zu den Waffen rufen, allerdings könnten die einfachen Kämpfer das Vertrauen verlieren und sich abtrünnigen Rebelleneinheiten oder kriminellen Banden anschliessen.«
Duque erhielt bei der ersten Runde vor knapp drei Wochen die meisten Stimmen und geht als Favorit in die Stichwahl. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Invamer kommt der 41-jährige Anwalt auf gut 57 Prozent der Stimmen, sein Kontrahent Petro auf rund 37 Prozent. In anderen Erhebungen ist der Abstand geringer, doch die Tendenz dieselbe.
Frieden mit den Farc
Kolumbien ist tief gespalten: zwischen jenen, die den Friedensvertrag mit den Farc für eine Kapitulation vor skrupellosen Schwerverbrechern halten, und jenen, die in dem Abkommen den einzigen Ausweg aus Leid, Tod und Zerstörung sehen.
Nach mehr als einem halben Jahrhundert der Gewalt hatten die Regierung und die Farc den Bürgerkrieg im Herbst 2016 mit einem Friedensvertrag beigelegt. In dem Konflikt waren mehr als 220'000 Menschen ums Leben gekommen und Millionen vertrieben worden.
Die Farc haben inzwischen die Waffen niedergelegt und wollen künftig als politische Partei für ihre Ziele eintreten. Für ihre schweren Verbrechen haben sie nach dem Vertrag nur mit relativ milden Strafen zu rechnen. Zudem erhalten die Ex-Rebellen für zwei Legislaturperioden zehn Sitze im Kongress garantiert.
Das schmeckt nicht allen. «Das Land ist geteilt zwischen Gegnern und Befürwortern des Vertrags», sagt der politische Analyst Juan Manuel Charry. «Der künftige Präsident wird einen Ausgleich finden müssen.«
Selbst kleine Änderungen am Abkommen könnten allerdings die Ex-Rebellen wieder in den Dschungel treiben. Viele sind schon jetzt mit der Umsetzung nicht zufrieden. Sie werfen der Regierung vor, ihnen nicht ausreichend Schutz und Unterstützung bei der Rückkehr ins zivile Leben zu gewähren.
Noch hält die Führungsriege der Farc aber an der Einigung fest. «Wir werden das Abkommen verteidigen», sagte der frühere Rebellen-Chef Rodrigo «Timochenko» Londoño kürzlich in einem Interview der Zeitung «El Tiempo«. «Es gibt keinen Weg zurück.»
Immer noch Baustellen in Kolumbien
Allerdings sind viele Ursachen des Konflikts noch immer nicht gelöst. «Es gibt weiterhin eine sehr ungleiche Verteilung des Landes, Gewalt gegen soziale Aktivisten und eine weit verbreitete Straflosigkeit«, sagt Wola-Expertin Sánchez-Garzoli. Kriminelle Gruppe stossen in die einstigen Territorien der Farc vor und übernehmen ihr Geschäft mit Drogenschmuggel, Erpressung und illegalem Bergbau.
Kolumbien ist der grösste Kokain-Produzent der Welt. Linkskandidat Petro will Kleinbauern über Sozialprogramme dazu animieren, auf legale landwirtschaftliche Produkte umzuschwenken. Duque hingegen setzt auf eine Politik der harten Hand und verspricht, die Koka-Plantagen wieder mit Pflanzenvernichtungsmittel besprühen zu lassen.
Der Friedensvertrag mit den Farc ist das politische Erbe des scheidenden Präsidenten Juan Manuel Santos. Für das historische Abkommen wurde er mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
Er hinterlässt aber auch einige Baustellen: Kriminelle Banden terrorisieren in vielen Landesteilen noch immer die Bevölkerung, das Wirtschaftswachstum bleibt hinter den Erwartungen zurück, das Verhältnis zum Nachbarn Venezuela ist zerrüttet.
»Der künftige Präsident wird eine Menge ungelöster Probleme erben: die Umsetzung des Friedensvertrags mit den Farc, die andauernden Gespräche mit der kleineren Guerillaorganisation ELN und der Umgang mit den zahlreichen Flüchtlingen aus Venezuela«, sagt Analyst Kyle Johnson von der International Crisis Group. «Bei dieser polarisierten Wahl steht der Frieden auf dem Spiel.»
Iván Duque, der rechte Ziehson
Bis vor Kurzem kannten die meisten Kolumbianer den konservativen Anwalt kaum, jetzt könnte er der nächste Präsident des südamerikanischen Landes werden. Viele halten ihn allerdings für eine Marionette des früheren Staatschefs Álvaro Uribe, der in Kolumbien noch immer die Strippen zieht. Selbst unter seinen Gegnern gilt der stets gut gelaunte 41-Jährige als sympathischer Typ. Viele trauen ihm das höchste Staatsamt allerdings noch nicht zu.
Duque war nach seinem Studium in Kolumbien und den USA zunächst Berater im Finanzministerium und arbeitete später bei der Interamerikanischen Entwicklungsbank in Washington. Seit 2014 sass der Jurist für Uribes rechte Partei Centro Democrático im Senat. Den umstrittenen Friedensvertrag mit der früheren Guerillaorganisation Farc wollte Duque zunächst «in Stücke reissen". Später hat er sich etwas gemässigt und schlägt Änderungen jetzt nur noch bei einigen Punkten vor.
Wer ist der Ex-Rebelle Gustavo Petro?
Als «Comandante Aureliano» kämpfte der 58-Jährige einst gegen den kolumbianischen Staat, jetzt will er dessen Präsident werden. Dem bewaffneten Kampf hat der frühere Guerillero der Bewegung M-19 schon lange abgeschworen, heute steht der frühere Bürgermeister der Hauptstadt Bogotá für einen gemässigten linken Kurs.
Petro gilt als Intimfeind von Duques Förderer Uribe. Als Senator trieb er die Untersuchungen über Kontakte von Parteifreunden des Ex-Präsidenten zu den rechten Paramilitärs voran. Als Präsident will Petro an dem Friedensabkommen mit den Farc-Rebellen festhalten und die soziale Ungleichheit bekämpfen. Seine Gegner halten ihn für einen gefährlichen Kommunisten. (SDA)