Auf einen Blick
Spätestens seit letzter Woche ist klar: Die Europäer müssen noch mehr Verantwortung übernehmen, wenn es um die Unterstützung der Ukraine geht. Grund: Die USA möchten ihr Engagement reduzieren.
Gleichzeitig will Wladimir Putin (72) nicht nur die Ukraine kontrollieren, sondern eine neue Sicherheitsordnung in Europa einrichten: Besonders die Staaten der ehemaligen Sowjetunion sollen künftig zu einer russischen «Einflusssphäre» gehören.
Vor diesem Hintergrund hängt viel von den mächtigsten Politikern Europas und ihren Armeen ab: Wer könnte die Ukraine – und somit auch Europa – retten? Blick checkt ihre Stärken und Schwächen.
Keir Starmer
Stärken
In den letzten Tagen legte der britische Premierminister Keir Starmer (62) einen forschen Auftritt hin. Er zeigte Führungswillen und hat sich verpflichtet, die Ukraine weiter zu unterstützen. Er preschte mit dem Angebot vor, nach einem Friedensvertrag eigene Truppen in die Ukraine zu senden.
Starmer will am nächsten Donnerstag US-Präsidenten Donald Trump (78) in Washington besuchen. Dort soll er eine detaillierte Friedenssicherungsstrategie für die Ukraine vorlegen.
Schwächen
Premierminister Keir Starmer verfügt über keine gefestigte Beziehung zu Trump. Im Zuge des Skandals um Vergewaltigungsfälle in England war Starmer ins Visier von Trump-Berater Elon Musk (53) geraten.
Das Militärbudget des Vereinigten Königreichs lag 2023 gemäss dem Stockholmer Friedenforschungs-Instituts Sipri bei 67,4 Milliarden Franken. Gemäss dem «Global Firepower Index» verfügt das Vereinigte Königreich über die schlagkräftigste Armee in Europa.
Emmanuel Macron
Stärken
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (47) ist stark am Wohlergehen der Ukraine interessiert. Letzte Woche hat Macron deshalb eine Notfallsitzung in Paris organisiert. Ein zweites Treffen folgte am Mittwoch. Auch Macron ist bereit, der Ukraine nach einem Waffenstillstandsabkommen Sicherheitsgarantien zu geben und Truppen in die Ukraine zu schicken.
Der Franzose unterhält gute Kontakte sowohl nach Kiew als auch nach Washington. Macron reist am nächsten Montag nach Washington, um mit Trump über die Ukraine zu beraten.
Schwächen
Innenpolitisch steht Macron eher schwach da. Im letzten Jahr hatte Frankreich vier verschiedene Regierungen.
Das Militärbudget Frankreichs liegt bei 55,1 Milliarden Franken. Frankreich verfügt über die zweitstärkste Armee in Europa.
Giorgia Meloni
Stärken
Die Ministerpräsidentin von Italien unterhält sowohl zu Trump als auch zu Musk sehr gute Beziehungen. Giorgia Meloni (48) hat sich darum nicht erst seit Trumps Wiederwahl bemüht. Die Rechtspopulistin streckte schon viel früher ihre Fühler in diese Richtung aus.
Gleichzeitig hat Meloni sich bisher auch klar zur Ukraine bekannt. Erst im Januar besuchte Wolodimir Selenski (47) Meloni in Rom. Die Italienerin wäre gut gerüstet, um die entstehende Kluft zwischen Washington und Kiew zu überbrücken.
Schwächen
Ob Melonis Nähe zu Musk und Trump sowie ihre politische Ausrichtung am rechten Rand noch zum Spaltpilz werden könnte, ist offen. Am Notfallgipfel vom Montag warnte sie jedoch bereits davor, dass sich die EU in der Ukraine-Frage in einen Widerspruch zur US-Politik begebe.
Das Militärbudget Italiens liegt bei 32 Milliarden Franken. Italien verfügt über die drittstärkste Armee in Europa.
Friedrich Merz
Stärken
Zwar ist aktuell noch Olaf Scholz (66) deutscher Bundeskanzler. Wahrscheinlichster Nachfolger ist allerdings CDU-Chef Friedrich Merz (69), der aussenpolitisch forscher eingestellt ist als Scholz. Die Europäer müssten «grösste Kraftanstrengungen unternehmen», um den Kontinent «aus eigener Kraft verteidigen» zu können, sagte Merz kürzlich.
Während Scholz etwa die Lieferung der Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine stets verweigerte, hat sich Merz wiederholt dafür ausgesprochen.
Schwächen
Noch ist Friedrich Merz nicht Bundeskanzler, und vor allem hat er noch keine Regierung. Die kommenden Koalitionsverhandlungen könnten viel Zeit absorbieren.
Das Militärbudget Deutschlands liegt bei 60,1 Milliarden Franken. Deutschland verfügt über die viertstärkste Armee in Europa.
Fazit
Europa hat es während Jahrzehnten verpasst, genügend in die eigene Verteidigung zu investieren. Diese Versäumnisse können nun nicht innerhalb von Monaten nachgeholt werden. Kurzfristig könnten die Europäer einen Ausfall der USA wohl nicht ersetzen. Jedoch scheint der Ernst der Lage inzwischen in den europäischen Hauptstädten angekommen. Innenpolitisch sind mehrere Regierungschefs aktuell geschwächt, jedoch funktioniert die europäische Zusammenarbeit vergleichsweise gut. Die Herausforderung bleibt jedoch riesig.