Oppositionschef fordert Maduro heraus
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Machtkampf in Venezuela:Oppositionschef fordert Maduro heraus

Staatskrise in Venezuela
Warum unterstützt Trump den Putsch?

Die Massenproteste in der Hauptstadt Caracas führen zum Regierungswechsel. Die USA unterstützten Übergangs-Staatschef Juan Guaidó offen. Warum? BLICK beantwortet die wichtigsten Fragen zur Venezuela-Krise.
Publiziert: 24.01.2019 um 13:46 Uhr
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Aktualisiert: 07.02.2019 um 14:54 Uhr
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Der venezolanische Parlamentspräsident Juan Guaidó erklärte sich am Mittwoch zum Übergangs-Staatschef.
Foto: AFP

Selbstbewusst hob Juan Guaidó die rechte Hand zum Schwur. «Vor dem allmächtigen Gott gelobe ich, die Kompetenzen der Exekutive als Interims-Präsident von Venezuela zu übernehmen», sagte der venezolanische Parlamentspräsident am Mittwoch bei einer Kundgebung in der Hauptstadt Caracas.

Juan Guaidó fuhr fort: «Lasst uns alle schwören, dass wir nicht ruhen, bis wir die Freiheit erlangt haben.» Seine Anhänger jubelten dem 35-jährigen Abgeordneten zu. Sie schwenkten venezolanische Fahnen und feierten die Amtseinführung – die eigentlich ein Putsch ist!

Was ist in Venezuela passiert?

Nach tagelangen Massenprotesten in Caracas gegen den sozialistischen Regierungschef Nicolás Maduro hat der junge Juan Guaidó das Ruder übernommen. Der Parlamentspräsident sprach dem umstrittenen Regierungschef die Legitimation ab und erklärte sich selbst zum Übergangs-Staatschef.

Maduro anerkennt dies nicht. Venezuelas Streitkräfte stellten sich hinter Maduro und wiesen Guaidós Machtanspruch zurück. Doch der Interims-Chef erhält mächtige Rückendeckung: Unterstützt wird er unter anderem von den USA.

Was ist die Kritik an Regierungschef Maduro?

Maduro ist seit 2013 Staatspräsident von Venezuela und trat am 10. Januar seine zweite Amtszeit an. Doch die vorgezogenen Neuwahlen im Mai vergangenen Jahres soll er manipuliert haben. Die meisten westlichen Länder – darunter auch die EU – anerkennen die Wahl darum nicht. Das von Maduro weitgehend entmachtete Parlament erklärte Maduros Regime am 15. Januar für unrechtmässig.

Das Land durchlebt zudem eine beispiellose Finanzkrise. Noch 2015 anerkannten die Vereinten Nationen, dass Venezuela im Vergleich mit anderen lateinamerikanischen Ländern und in der Karibik am meisten gegen Hunger und Armut getan hätte. Doch zwei Jahre später erreichte die Inflation 2616 Prozent – ausgelöst durch Maduros sozialistisch-populistisches Regime. Ein Kilo Tomaten kostete vor dem Schuldenschnitt im August vergangenen Jahres fünf Millionen Bolívar.

Maduros Schuldenschnitt half nicht gegen die Krise. Viele Venezolaner können sich nur eine Mahlzeit am Tag leisten. Rund 2,3 Millionen haben laut den Vereinigten Nationen das Land in den vergangenen Jahren verlassen – sieben Prozent der Bevölkerung.

Welche Rolle spielen die USA?

Bereits Minuten nach Guaidó Machtergreifung erkannte US-Präsident Donald Trump den Oppositionsführer als rechtmässigen Interims-Präsidenten des von Korruption und Armut geplagten Landes an. Das Weisse Haus rief Maduro zu einer friedlichen Machtübergabe auf und drohte dem Sozialisten andernfalls mit schweren Konsequenzen. «Alle Optionen sind auf dem Tisch», drohte Trump. Er hatte bereits im vergangenen Sommer mit einem militärischen Eingreifen geliebäugelt.

Maduro verwies die US-Diplomaten umgehend des Landes. Er warf den USA vor, Venezuela durch eine «Marionettenregierung» steuern zu wollen. Übergangs-Staatschef Guaidó hingegen forderte das Personal der in Caracas ansässigen Botschaften dagegen zum Bleiben auf. US-Aussenminister Mike Pompeo erklärte, er werde das diplomatische Personal zunächst nicht aus der Botschaft in Caracas abziehen, da die Vereinigten Staaten das Maduro-Regime «nicht als Regierung anerkennen». 

Vize-Präsident Mike Pence hatte der Opposition bereits vor dem Putsch in einer Videobotschaft die Unterstützung der USA zugesichert.

Warum unterstützt Trump den Putsch?

So ganz klar sind die Interessen noch nicht. Zwar haben die meisten westlichen Länder die Wiederwahl Maduros nicht anerkannt und die USA auch immer wieder versucht, unliebsame Staatschefs in Lateinamerika loszuwerden. Doch dass der US-Präsident den Putsch in Venezuela so schnell und offen unterstützt, scheint ungewöhnlich. 

Auch Wirtschaftsinteressen spielen eine Rolle: Das krisengeplagte Venezuela besitzt die grössten Öl-Reserven der Welt. Billiges Öl ist wichtig für den US-Präsidenten, der die US-Wirtschaft weiter ankurbeln will.

Was waren die internationalen Reaktionen?

Uno-Generalsekretär António Guterres hat sich in der Venezuela-Krise für einen Dialog ausgesprochen. Er hoffe, dass eine Eskalation vermieden werden könne, «die zu einer Art von Konflikt führen würde, der eine Katastrophe für das Volk Venezuelas und für die Region wäre», sagte Guterres am Donnerstag am Weltwirtschaftsforum in Davos.

Amnesty International warnte am Donnerstagmorgen auf Twitter vor erneuten Gewaltausbrüchen: «Tausende protestieren gerade gegen die Staats- und Menschenrechtskrise. (...) die Behörden reagieren auf Anweisung Maduros mit Miltär und Polizei, um ihre Politik der Willkür durchzusetzen.»

Wie reagierte die EU?

Übergangs-Chef Guaidó bekam auch Unterstützung aus Brüssel. «Die Europäische Union ruft mit Nachdruck zum Beginn eines sofortigen politischen Prozesses auf, der zu freien und glaubwürdigen Wahlen führt, im Einklang mit der Verfassung», erklärte die EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini. Die Europäische Union unterstütze die von Guaidó geführte Nationalversammlung «als demokratisch gewählte Institution, deren Befugnisse wiederhergestellt und respektiert werden müssen».

EU-Ratspräsident Donald Tusk schrieb auf Twitter: «Im Gegensatz zu Maduro verfügt das Parlament, Juan Guaidó eingeschlossen, über ein demokratisches Mandat der venezolanischen Bürger.»

Was sagt die Schweiz?

Die Schweiz beobachte die Entwicklungen in Venezuela seit 2016 mit Sorge. Im Frühjahr 2018 schloss sie sich der EU-Linie an und verschärfte die Sanktionen gegen Venezuela aufgrund der Verletzung von Menschenrechten und der Untergrabung der Rechtsstaatlichkeit und demokratischer Institutionen. Im Nachgang zu den Präsidentschaftswahlen vom 20. Mai 2018 wurde der Kreis der Personen, welche den Reise- und Finanzsanktionen unterstellt sind, am 10. Juli 2018 um elf Personen erweitert – dies ebenfalls aufgrund eines vorgängigen Beschlusses der EU.

Im Machtkampf Maduro/Guaidó will die Schweiz jedoch neutral bleiben. Die Schweiz anerkenne nur Staaten, keine einzelnen Regierungen, teilte das EDA am Donnerstagnachmittag mit. Indirekt positioniert sich die Schweiz aber doch: Die Wahl des Parlaments und dessen Präsidenten Juan Guaidó würde die Schweiz als demokratisch anerkennen – keinen Ton verliert EDA-Sprecherin Carole Wälti hingegen über die Wahl von Maduro. 

Sprecherin Carole Wälti zu BLICK: «Mit dem Ziel eine friedliche Lösung der Krise zu gewährleisten, fordert die Schweiz mit Nachdruck die Einleitung eines politischen Prozesses, der zu freien und glaubwürdigen Neuwahlen im Einklang mit der verfassungsmässigen Ordnung führt.»

Öffentlich geäussert hat sich aus dem Parlament bislang nur SP-Nationalrat Fabian Molina (28). Auf Twitter kritisierte er den Putsch: «Was immer man von Maduro halten mag: Was gerade in Venezuela passiert, ist ein Staatsstreich. Nichts anderes. Präsidenten kommen durch Wahlen ins Amt, nicht durch Selbstkrönung.»

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