Eigentlich ist es eine Traumvorstellung. Ein riesiges Haus mit 200 Zimmern, Pool, grossem Esszimmer, Küche und sogar Angestellten. Ein Hotel – ganz für sich allein. So verbringt der St. Galler Bruno Kaiser (61) aktuell seine Quarantäne in Bolivien.
Doch als traumhaft würde er seinen Aufenthalt nicht beschreiben. Ursprünglich wollte er in Bolivien nur Ferien machen, gemeinsam mit seiner Freundin (46). Stattdessen ist er eingesperrt, muss fürs Hotel zahlen und von seiner Beziehung ist nur noch ein schmerzhafter Schnitt an der Hand übrig.
Alles begann am 14. Februar. Damals fliegt Bruno Kaiser von Peru, wo er seit Jahren lebt, nach Santa Cruz. Der Plan ist, mit seiner Freundin herumzureisen. Sie kommt am 11. März nach. Elf Tage später wird das Land wegen des Coronavirus unter Quarantäne gestellt.
Einen Tag pro Woche nach draussen
Zu diesem Zeitpunkt befinden sich der Schweizer und seine Partnerin im Hotel Viru Viru. Das Haus wird ab sofort zur Festung. «Ich darf nur jeweils am Donnerstag nach draussen. Zwischen sieben und zwölf Uhr, um einzukaufen.» Mit dem Paar lebt noch eine Peruanerin im Gebäude. Eine Angestellte ist noch da, um sich um die Anlage zu kümmern.
Dann wird die Freundin krank – offenbar ein Zeckenbiss. Sie bekommt 40 Grad Fieber. Im Spital werden ihr Medikamente gegeben. Zwischen dem Paar bauen sich Spannungen auf. «Sie gab mir die Schuld, dass sie krank wurde», so Kaiser.
Schliesslich zieht die Partnerin einen Schlussstrich – und in ein anderes Zimmer. Die Peruanerin, die ebenfalls im Hotel ist, schlägt sich auf die Seite der Frau. Fortan muss der St. Galler den beiden im leeren privaten Hotel aus dem Weg gehen. «Ich ging extra jeweils um acht Uhr frühstücken, damit wir uns nicht begegnen.»
Ex-Freundin griff mit Messer an
Da die meisten Mitarbeiter nicht im Haus sind, müssen die drei ihr Essen selbst in der Hotelküche zubereiten und selber ihre Zimmer putzen. Am vergangenen Samstag begegnen sie einander doch – im Speisesaal. Da eskaliert die Situation.
Die Peruanerin beginnt, Kaiser zu beleidigen. Er gibt zurück. Schliesslich versucht sie, ihm einen Stuhl über den Kopf zu ziehen. «Meine Ex-Freundin fuchtelte derweil mit einem Messer herum und schnitt mich in die Hand», erzählt der Schweizer.
Als er den Fall am Montag dem Hotelchef meldet und dieser sich die Überwachungsvideos anschaut, müssen die beiden Frauen auschecken. Kaiser: «Seitdem habe ich das Hotel für mich allein.» Seine Tage verbringe er nun damit, im kleinen Pool zu schwimmen. Seine Runden durch das Hotel zu ziehen. Zu kochen. «Es ist einfach mühsam, mich mit niemandem unterhalten zu können.»
«Jetzt habe ich meine Ruhe»
Bolivien hat erste Lockerungen für Anfang Juni in Aussicht gestellt. Bisher wurden knapp 7800 Coronavirus-Fälle offiziell bestätigt. 280 Menschen starben. Die Kurve steigt jedoch noch. «Täglich werden hier in Santa Cruz etwa 200 Neuinfektionen gemeldet.»
Es sei also gut möglich, das die Quarantäne noch verlängert würde. Nach jammern ist Kaiser dennoch nicht zumute. «Jetzt habe ich immerhin meine Ruhe. Und ich kann mich gut arrangieren», so der 61-Jährige.
So lange die Grenzen zu sind, sitzt er also noch fest. Die Miete fürs Hotelzimmer drückt aber aufs Portemonnaie. Deshalb ziehe er am 6. Juni in ein günstigeres Hotel um. Lachend sagt er: «Das habe ich dann nicht mehr für mich allein.»