Sie war mal politisches Zugpferd, galt als Kanzler-Material. Doch gestern verlor der Name Hannelore Kraft jede Power: Die SPD-Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, dem bevölkerungsreichsten Bundesland (13,1 Millionen Wahlberechtigte) Deutschlands, trat von allen Ämtern zurück, noch bevor das Endergebnis der gestrigen Landtagswahl vorlag: «Ich übernehme die Verantwortung.»
Es gab da nichts mehr schönzureden: Ausgerechnet in ihren Stammlanden verloren die Sozialdemokraten (SPD) ein Viertel ihrer Wähler. Auch ihr Koalitionspartner, die Grünen, wurde abgestraft. Klarer Sieger sind die Christdemokraten (CDU), die Partei von Angela Merkel, die schon zum zweiten Mal dieses Jahr eine Landesregierung aus der Opposition erobern. Was einer Kanzlerpartei historisch fast nie gelingt.
Rot-Grün wurde heftig abgestraft. Die SPD stürzte gegenüber 2012 um 7,9 Prozent ab auf 31,2 Prozent, die Grünen verloren 4,9 Prozent und landeten bei 6,4. Die Linkspartei scheiterte ganz knapp an der Fünf-Prozent-Hürde und schaffte es damit erneut nicht in den Landtag.
Der umgekehrte Schulz-Effekt?
Und die CDU ist im Hoch. Sie erreichte 33 Prozent (plus 6,7 Prozentpunkte). Die FDP ist mit 12,6 Prozent ebenfalls mit 4 Punkten im Plus. Die rechtspopulistische AfD zieht mit 7,4 Prozent zum ersten Mal in den Landtag ein, landet damit aber deutlich unter ihren Umfragewerten der letzten Monate. Der Wahlkampf war offenbar spannend: 66 Prozent der NRWler gingen wählen – 6,4 Prozent mehr als 2012.
Die Ohrfeige für die SPD schallte bis nach Berlin – und landete an der Wange von Kanzlerkandidat und Parteichef Martin Schulz persönlich: «Ein schwerer Tag für die SPD und für mich selbst. Ich stamme aus dem Land, in dem wir eine krachende Wahlniederlage erlitten haben.» Bitter für ihn: Noch vor wenigen Wochen sorgte er für sensationelle SPD-Umfragezahlen. Die Rede war vom «Schulz-Effekt». Inzwischen wird gespottet, dass der Effekt seine Wirkung wohl umgedreht habe.
Grund zum Feiern für die CDU und die Kanzlerin. «Wir haben die Herzkammer der SPD erobert», triumphierte CDU-Generalsekretär Peter Tauber über den NRW-Sieg. Dass dort jetzt sein Parteikollege Armin Laschet Ministerpräsident wird, steht ausser Zweifel. Die Frage ist nur noch, mit welcher Koalition: Für die bürgerliche Lieblings-Partnerschaft Schwarz-Gelb, also CDU und FDP, reicht es nur, wenn die Linke es nicht in den Landtag schafft. Wenn doch, braucht die CDU einen dritten Partner – oder muss auf die SPD zugehen für eine grosse Koalition.
Eine Verbindung, die sich im Bund für die CDU wieder einmal auszuzahlen scheint. Denn Angela Merkel, vor Wochen noch angezählt und angezweifelt, ist seit gestern weiter auf Kurs Richtung Wahlsieg.