Pedro Sánchez hat die Wahl klar gewonnen. Dies ging nach Auszählung praktisch aller Stimmen in der Nacht auf Montag aus den offiziellen Ergebnissen hervor. Während die Konservativen ein Debakel erlebten, zieht erstmals seit Jahrzehnten eine rechtspopulistische Partei ins Parlament ein: Die erst 2013 gegründete Formation Vox bestätigt damit einen Trend, der sich schon bei Wahlen in anderen EU-Ländern beobachten liess.
Sánchez stehen nun äusserst schwierige und vermutlich langwierige Koalitionsgespräche mit linken und regionalen Parteien bevor. Es droht eine komplizierte politische Patt-Situation wie bereits 2016, als die viertgrösste Volkswirtschaft der Eurozone nach zwei Wahlgängen binnen sechs Monaten ein Jahr lang ohne reguläre Regierung blieb.
Sánchez ist seit Juni 2018 im Amt. Damals stürzte er seinen konservativen Vorgänger Mariano Rajoy per Misstrauensvotum. Die Neuwahl rief er im Februar aus, da die katalanischen Separatisten seiner Minderheitsregierung bei der Abstimmung über den Etatentwurf die Unterstützung entzogen hatten. Bei der vorigen Wahl hatte die PSOE unter Sánchez 22,6 Prozent der Stimmen geholt.
Zukunft von Casado ist ungewiss
Die konservative Volkspartei PP landete bei der Neuwahl hinter den Sozialisten auf Platz zwei mit 16,7 Prozent - allerdings halbiert sie damit ihr Ergebnis von 2016 und muss überraschend das schlechteste Resultat ihrer Geschichte einstecken. Inwieweit sich das direkt auf den Triumph der Rechtspopulisten zurückführen lässt, war zunächst unklar. Die Zukunft des 38-jährigen Parteichefs Pablo Casado ist ungewiss.
Die liberale Partei Ciudadanos erzielte 15,8 Prozent, das Linksbündnis Unidas Podemos 14,3 Prozent und die Partei Vox 10,3 Prozent. Damit zieht die Bewegung, die von spanischen Medien teilweise als rechtsextrem eingestuft wird, mit einer starken Fraktion ins Nationalparlament in Madrid ein. Noch 2016 hatte Vox lediglich 0,2 Prozent der Stimmen bekommen.
«Wir sind hier, um zu bleiben. Das ist erst der Anfang!», rief Vox-Chef Santigo Abascal am späten Abend einer jubelnden Menschenmenge in der Hauptstadt zu. Die mit Parolen wie «Spanien den Spaniern!« angetretene Partei steht für politischen Autoritarismus, hat viele Anhänger des früheren Diktators Franco in ihren Reihen und nimmt sich die Regierungen in Ungarn und Italien zum Vorbild.
«Wir werden daran arbeiten»
Vox-Politiker kündigten im Wahlkampf an, man wolle kritische TV-Sender schliessen und Regeln zum Frauen- und Umweltschutz lockern. Das meiste Kapital schlug die Partei aber aus dem aufkeimenden Nationalismus infolge des Katalonien-Konflikts und aus der Zunahme illegaler Einwanderung, der sie einen Riegel vorschieben will.
Für die Regierungsbildung sind nun mehrere Szenarien denkbar. Die möglichen Koalitionspartner PSOE und Podemos kommen zusammen auf 165 Abgeordnete. Damit fehlen dem linken Lager zur absoluten Mehrheit elf Sitze. Um Ministerpräsident zu bleiben, müsste sich Sánchez folglich wohl nicht nur mit Unidas Podemos einig werden, sondern auch mit kleineren Regionalparteien in schwierige Gespräche treten.
«Wir werden daran arbeiten, die Bildung einer linken Regierungskoalition zu erreichen, aber davor müssen wir über vieles reden, über sehr vieles», sagte Unidas-Podemos-Chef Pablo Iglesias. Den Parteien des rechten Spektrums (PP, Ciudadanos und Vox) fehlen zusammen sogar 29 Sitze zur Regierungsmehrheit.
Politisch zersplittert
Spaniens politische Landschaft ist in den vergangenen Jahren zunehmend zersplittert. Gab es bis 2015 de facto ein Zweiparteiensystem aus PSOE und konservativer PP, sind seitdem zahlreiche neue Gruppierungen entstanden oder erstarkt. Seitdem herrschen in Spanien instabile politische Verhältnisse - die durch den Ausgang der Wahl vom Sonntag fortdauern könnten.
Die Wahlbeteiligung am Sonntag erreichte mit rund 75 Prozent einen der höchsten Werte in der Geschichte der spanischen Demokratie. Bei der Abstimmung im Juni 2016 waren es neun Prozentpunkte weniger gewesen.
Bei der Parlamentswahl wurden auch fünf inhaftierte Anführer der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung gewählt, denen derzeit in Madrid der Prozess gemacht wird. Der frühere katalanische Vize-Regionalpräsident Oriol Junqueras gewann am Sonntag ein Abgeordnetenmandat für die Republikanische Linke Kataloniens (ERC).
Der mit ihm angeklagte Raul Romeva gewann für dieselbe Partei einen Sitz im Senat. Ebenfalls ins Parlament gewählt wurden Jordi Sanchez, Jordi Turull und Josep Rull von der Partei Gemeinsam für Katalonien von Ex-Regionalpräsident Carles Puigdemont.
Junqueras ist der Hauptangeklagte im Prozess gegen insgesamt zwölf katalanische Unabhängigkeitsführer in Madrid. Ihnen wird vorgeworfen, im Oktober 2017 ein von der spanischen Justiz als illegal eingestuftes Unabhängigkeitsreferendum organisiert zu haben. Der damalige Regionalpräsident Puigdemont erklärte im Anschluss die Loslösung Kataloniens von Spanien. (SDA)