Spanien löst Italien als Hauptziel für Flüchtlinge ab
Josefa trieb mit Toten auf dem Meer

Die Situation auf dem Mittelmeer wird immer dramatischer: Noch nie sollen so viele Flüchtlinge gestorben sein wie im Juli. Hauptgrund dafür ist die Weigerung Italiens, private Seenotretter anlegen zu lassen. Nun wird Spanien zur letzten Hoffnung für Schiffbrüchige.
Publiziert: 22.07.2018 um 01:11 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 04:27 Uhr
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Die NGO Proactiva Open Arms rettet auf dem Mittelmeer eine Kamerunerin vor dem Tod.
Foto: JUAN MEDINA/Reuters
Fabian Vogt

Tagelang trieb Josefa auf dem Mittelmeer. In einem kaputten Schlauchboot, das sie mit zwei Toten teilte. Zurückgelassen von der libyschen Küstenwache, weil sich die Kamerunerin geweigert hatte, nach Libyen zurückzukehren. Diese schweren Vorwürfe erhebt die spanische Nichtregierungsorganisation Proactiva Open Arms, die Josefa am Mittwoch aus dem Meer fischte.

Die Libyer hätten bei einer Rettungsaktion schiffbrüchige Migranten zurückgebracht und zuvor deren Boot zerstört. Josefa sowie eine weitere Frau und ein Kind habe man im Wrack zurückgelassen. Ihre beiden Begleiter überlebten nicht.

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«Anfangs dachten wir, es sei niemand mehr am Leben. Aber als wir näher kamen, haben wir eine Frau gesehen», sagte der spanische Basketball-Star Marc Gasol, der an der Rettungsaktion beteiligt war. «Sie klammerte sich mit einer Hand an ein Stück Holz, das gerade mal einen halben Meter lang war.» Die NGO hat bei der spanischen Justiz Klage gegen die libysche Küstenwache sowie den Kapitän eines Frachtschiffes eingereicht – wegen unterlassener Hilfeleistung und fahrlässiger Tötung.

In Italien keine Hilfe gefunden

Die Odyssee für Josefa war damit aber noch nicht beendet. Proactiva Open Arms wollte in Italien an Land gehen, der schnellste Weg, um der Frau die notwendigen Hilfsdienstleistungen bieten zu können. Doch Italien wollte sich nur um die Überlebende, nicht aber um die beiden Toten kümmern. Die NGO entschied deshalb, den weiteren Weg nach Spanien zu nehmen und lief den Hafen von Palma de Mallorca an. 

Gemeinsam mit Josefa trafen am Freitag und Samstag 549 weitere Flüchtlinge in Spanien ein. Diese Migranten seien im Alborán-Meer und in der Strasse von Gibraltar aus insgesamt 30 Booten aus Seenot gerettet worden, teilten die spanischen Seerettungskräfte mit.

Waren im ersten Halbjahr 2017 noch 6500 Migranten an der spanischen Küste angekommen, so sind es 2018 bis Mitte Juli über 18'000 Menschen, sagt die Internationalen Organisation für Migration. Weitere 3000 kamen über die Exklaven Ceuta und Melilla. Das sind rund 3800 mehr, als im gleichen Zeitraum in Italien, dem bisherigen Hauptziel der Migranten, ankamen.

Diese Zahlen zeigen: Spanien löst Italien als Hauptziel für Flüchtlinge ab, hat es vermutlich bereits getan. Verantwortlich für diese Entwicklung ist vor allem Italiens neue Regierung. Innenminister Matteo Salvini verweigert seit seinem Amtsantritt Anfang Juni privaten Seenotrettern die Landung in Italien (BLICK berichtete). Auch sollen keine geretteten Flüchtlinge mehr von europäischen Grenzschutz- und Marineschiffen aufgenommen werden. Als Folge davon sind dieses Jahr rund 80 Prozent weniger Flüchtlinge angekommen als in den ersten sieben Monaten 2017. Gleichzeitig stieg die Zahl der Toten deutlich.

Die «NZZ» nennt noch einen weiteren Grund für die Verlagerung von Italien nach Spanien: Offenbar ist es wieder einfacher geworden, durch Marokko nach Europa zu gelangen. Diese Route war einst die bevorzugte für Flüchtlinge aus Westafrika. Von Tanger, direkt an der Meerenge von Gibraltar, nach Spanien sind es nur 15 Kilometer. Doch die Marokkaner und Spanier überwachten diese Grenze in den vergangenen rund zehn Jahren derart gut, dass dieser Weg von Schleppern oder allein reisenden Flüchtlingen kaum mehr benutzt wurde. Nun aber sollen innere Unruhen und eine immer grössere Zahl afrikanischer Migranten, die nach Norden weiterreisen wollen, dazu führen, dass die Grenzkontrollen nicht mehr derart gut seien.

«Der tödlichste Monat der Geschichte»

Marc Gasol nennt den derzeitigen Umgang mit Flüchtlingen im Mittelmeer «unmenschlich und kriminell». Die Situation der Retter, der Mangel an Menschlichkeit und die Verachtung für die humanitären Helfer seien frustrierend, sagte der NBA-Star. Von Open Arms hiess es, jeder Tote sei eine direkte Folge der Weigerung der italienischen Regierung, Flüchtlinge aufzunehmen.

Allein im Juli sollen bisher über 700 Flüchtlinge auf dem Meer gestorben sein, sagte Claus-Peter Reisch, Kapitän des Seenotretters «Lifeline», dem «Deutschlandfunk»: «Der Juli wird als der tödlichste Monat in die Geschichte der Seenotrettung vor der libyschen Küste eingehen.»

Seit Januar 1490 Mittelmeer-Tote

Während im Mittelmeer Menschen ertrinken, streitet Europa weiter über den Umgang mit Migranten. Eine Lösung ist nicht in Sicht. Die Situation wird immer dramatischer. Italiens populistische Regierung, die seit Wochen ihre Häfen für private Seenotrettungsorganisationen gesperrt hat, droht nun auch damit, Schiffen der EU-Marinemission Sophia die Einfahrt zu verweigern, wenn sie Gerettete an Bord haben. Damit zwingt Italien die restliche Union, eine neue Strategie im Umgang mit den geretteten Migranten zu entwickeln. Nun soll innerhalb der nächsten fünf Wochen ein neues Vorgehen vereinbart werden. Laut neuesten Zahlen der Internationalen Organisation für Migration sind in diesem Jahr bereits 1490 Menschen beim Versuch gestorben, das Mittelmeer zu überqueren.

Während im Mittelmeer Menschen ertrinken, streitet Europa weiter über den Umgang mit Migranten. Eine Lösung ist nicht in Sicht. Die Situation wird immer dramatischer. Italiens populistische Regierung, die seit Wochen ihre Häfen für private Seenotrettungsorganisationen gesperrt hat, droht nun auch damit, Schiffen der EU-Marinemission Sophia die Einfahrt zu verweigern, wenn sie Gerettete an Bord haben. Damit zwingt Italien die restliche Union, eine neue Strategie im Umgang mit den geretteten Migranten zu entwickeln. Nun soll innerhalb der nächsten fünf Wochen ein neues Vorgehen vereinbart werden. Laut neuesten Zahlen der Internationalen Organisation für Migration sind in diesem Jahr bereits 1490 Menschen beim Versuch gestorben, das Mittelmeer zu überqueren.

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