Späte Ehrung für Nazi-Opfer
Endlich – Doktor mit 102!

1938 reichte die junge Frau ihre Arbeit über Diphtherie am Unispital Hamburg ein. Doch die Klinik lehnte sie wegen der Nazi-Rassengesetze ab. 77 Jahre nachdem sie ihre Dissertation verfasst hatte, ist ihr gestern der Doktortitel verliehen worden.
Publiziert: 16.06.2015 um 15:30 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 16:30 Uhr
Von Lea Hartmann

Das hatte die 102-jährige Ingeborg Syllm-Rapoport nicht mehr erwartet: Der deutschen Rentnerin ist gestern in Hamburg der Doktortitel verliehen worden – ganze 77 Jahre, nachdem sie ihre Dissertation verfasst hatte.

1938 reichte die junge Frau ihre Arbeit über Diphtherie am Unispital Hamburg ein. Doch die Klinik lehnte sie wegen der Nazi-Rassengesetze ab: Ingeborg Syllms Mutter war Jüdin.

Nach dem Entscheid wanderte Syllm im Alter von 26 Jahren in die USA aus, wo sie Samuel Rapoport (1912–2004), ihren späteren Mann, kennenlernte. 1952 kehrte sie mit ihm zurück in die damalige DDR.

An der Ostberliner Charité-Klinik machte Ingeborg Syllm-Rapoport Kar­riere als Kinderärztin – auch ohne deutschen Doktortitel.

Es war Uwe Koch-Gromus, Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität Hamburg, der der Pionierin der Neugeborenen-Heilkunde doch noch zu Doktorehren verhalf. Ein Sohn der Ärztin, ebenfalls ein Mediziner, hatte ihm vom Schicksal seiner Mutter erzählt. Koch-Gromus setzte sich anschliessend dafür ein, dass die Seniorin die mündliche Prüfung nachholen konnte – auch wenn die Doktorarbeit nach so vielen Jahren an der Uni nicht mehr auffindbar war.

Im Mai 2015 war es so weit. In einem Sessel in ihrer Stube in Berlin stellte sich die Hochbetagte den Fragen zweier Prüfer.

Syllm-Rapoport hatte sich gut auf die Prüfung vorbereitet – keine einfache Sache, knapp acht Jahrzehnte nach Einreichung ihrer Forschungsarbeit. Ihre Familie und auch Bekannte hätten ihr bei der Vorbereitung geholfen, erzählte die Seniorin dem «Wall Street Journal».

Weil sie nur noch schlecht sieht, hatten ihr Angehörige im Internet neuste Studien zu ihrem Dissertationsthema herausgesucht und diese am Telefon für sie zusammengefasst.

Der Einsatz hat sich gelohnt. Syllm-Rapoport habe sich «brillant» geschlagen, sagte Dekan Uwe Koch-Gromus nach der bestandenen Prüfung.

Und so darf die älteste Doktorandin der Welt nun endlich ihre wohlverdiente Promotionsurkunde in den Händen halten. Sie habe sie im Namen all jener entgegengenommen, die unter der Hitler-Diktatur weit mehr leiden mussten als sie, sagte die Geehrte an der gestrigen Feier.

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