Die Krise zwischen dem Iran und Israel spitzt sich weiter zu. Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu hat dem Iran am Montagabend vorgeworfen, weiter den Bau einer Atombombe anzustreben. Er präsentierte Dokumente und Bilder aus einem «geheimen Atomarchiv» in Teheran.
Gemäss Netanjahu beweisen die Unterlagen das «geheime» iranische Atomprogramm. Sie seien Israel als «exakte Kopien» in Papier- oder CD-Format zugespielt worden. Netanjahu sprach dabei von einem «grossartigen Erfolg» des israelischen Geheimdienstes.
Der Iran habe seine nuklearen Ambitionen nie aufgegeben. Damit verstosse das Land gegen das internationale Atomabkommen, sagte Netanjahu. Der Iran verstecke die Dokumente zu seinem Atomwaffenprogramm, um es zu geeigneter Zeit weiterbetreiben zu können.
«Iran lügt dreist», sagte Netanjahu mit Blick auf die Beteuerungen der iranischen Führung, nicht nach Atomwaffen zu streben.
Die Reaktion des Irans liess nicht lange auf sich warten. Aussenminister Mohamed Dschawad Sarif benannte die Beweise Israels am Montagabend auf Twitter als «aufgewärmte, alte Anschuldigungen». Mit diesen habe sich schon die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) auseinandergesetzt.
USA hat von den Plänen gewusst
Ganz anders sieht das Mike Pompeo. Der US-Aussenminister hat die Dokumente als echt und authentisch bezeichnet. Viel davon sei neu für amerikanische Experten, sagte Pompeo am Montag auf dem Rückflug von einer Reise in den Nahen Osten. Netanjahu hat Pompeo bei einem Besuch über das Material informiert.
«Wir haben schon eine Weile von diesem Material gewusst», sagte Pompeo. Es gebe nun aber «Tausende neue Dokumente und neue Informationen». Die USA prüfen das Material derzeit noch, um das «Ausmass» abschätzen zu können. «Aber es gibt neue Informationen über dieses Programm», bestätigte Pompeo.
Greift Israel bald den Iran direkt an?
Die Stimmung zwischen den verfeindeten Staaten ist auf dem Tiefpunkt angelangt. Am Sonntagabend kam es zu Raketenangriffen auf Stützpunkte der iranischen Armee. Die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte erklärte am Montag, unter den Todesopfern seien vier Syrer. Die übrigen seien Ausländer gewesen, die meisten von ihnen aus dem Iran.
Nach Einschätzung der Beobachtungsstelle ist «wahrscheinlich» Israel für die Angriffe vom Sonntagabend verantwortlich. Ein israelischer Militärsprecher wollte diese Berichte nicht kommentieren. Die halbamtliche iranische Nachrichtenagentur Tasmin wies Berichte über getötete iranische Soldaten zurück (BLICK berichtete).
Laut der israelischen Tageszeitung «Haaretz» könnte es in nächster Zeit zu einer Eskalation im Syrienkrieg kommen. Wenn der Iran mit der ihr Verbündeten Hisbollah-Miliz israelische Stützpunkte in Syrien angreift, würde Israel zu einem Gegenschlag auf direkte Ziele im Iran ausholen. Die Zeitung beruft sich auf nicht näher bezeichnete «militärische und politische Quellen».
Donald Trump erwägt Kündigung des Atomabkommens
Schon am Wochenende spitzte sich die Lage zu: Der neue US-Aussenminister Mike Pompeo hatte bei Antrittsbesuchen in Saudi-Arabien und Israel Härte gegenüber dem Iran demonstriert. Er machte deutlich, dass US-Präsident Donald Trump weiter eine Kündigung des Atomabkommens erwäge.
Netanjahu bezeichnete das iranische Atomprogramm am Sonntag als grösste Bedrohung für die Welt, insbesondere für Israel und die USA.
EU fehlen die Beweise
Nach einer ersten Einschätzung der EU-Aussenbeauftragten Federica Mogherini präsentierte Israels Ministerpräsident Netanjahu aber bisher keine Beweise dafür, dass sich der Iran nicht an das Abkommen zum Verzicht auf Atomwaffen hält. Die Präsentation Netanjahus vom Montag habe die Vertragstreue der iranischen Führung laut ersten Berichten nicht infrage gestellt, teilte Mogherini am Montagabend mit.
Das Atomabkommen aus dem Jahr 2015 basiere auf konkreten Verpflichtungen, Überprüfungsmechanismen und einer strikten Kontrolle durch die IAEA. Diese habe schon zehn Berichte veröffentlicht, die dem Iran bestätigten, sich an die Abmachungen zu halten.
Falls irgendwer Informationen habe sollte, dass dies nicht der Fall sein könnte, solle er sich an die IAEA oder die gemeinsame Kommission der Vertragsparteien wenden, mahnte Moherini. Die IAEA sei die einzige unabhängige internationale Organisation, die für die technische Überwachung zuständig sei.
Darum geht's im Atomabkommen mit dem Iran
In dem Abkommen hatte der Iran sich verpflichtet, bis mindestens 2025 wesentliche Teile seines Atomprogramms drastisch zu beschränken — mit dem Ziel, dass das Land keine Atomwaffen entwickeln kann. Im Gegenzug wurden die Sanktionen gegen den Iran aufgehoben.
US-Präsident Donald Trump äusserte öffentlich immer wieder Zweifel, ob der Iran tatsächlich den Atom-Deal respektiere.
Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) bescheinigte im November 2017 dem Iran die volle Umsetzung des Atom-Abkommens. IAEA-Chef Yukiya Amano sagte damals vor dem Gouverneursrat der UN-Organisation in Wien. «Die Behörde hatte Zugang zu allen Orten, die wir aufsuchen wollten.» (nim/SDA)