Auf bestialische Art sind in Marokko in der Nacht auf den 17. Dezember 2018 die Dänin Louisa Vesterager Jespersen (†24) und die Norwegerin Maren Ueland (†28) ermordet worden. Ihre Leichen wurden mit aufgeschlitzten Kehlen in einer einsamen Gegend im Atlas-Gebirge gefunden.
Schon kurz nach der Tat hat die marokkanische Polizei mehrere Verdächtige festgenommen, darunter die IS-Anhänger Kevin Z. (25) und Nicolas P. (32). Die beiden sollen am Mord beteiligt gewesen sein oder zumindest in Kontakt mit den Tätern gestanden haben. Brisant: Beide stammen aus Genf und haben den Schweizer Pass! Kevin Z. ist schweizerisch-spanischer, Nicolas P. schweizerisch-britischer Doppelbürger.
Marokkaner fordern die Todesstrafe zurück
Weil das Verbrechen als terroristischer Akt eingestuft wird, könnten die beiden Männer zum Tode verurteilt werden. Salah Abdellaoui, Direktor von Amnesty International Marokko, sagt gegenüber BLICK: «Es ist alles möglich.» Zwar werden in Marokko seit 1993 keine Exekutionen mehr ausgeführt, dafür schmoren zahlreiche zum Tode verurteilte Schwerverbrecher im berüchtigten Todestrakt des Kenitra-Gefängnisses. Laut Salah Abdellaoui sind es insgesamt 93. Die Zustände der Anstalt 60 Kilometer nördlich von der Hauptstadt Rabat sind katastrophal: überfüllte Zellen, kaum Medikamente, zwei Drittel der Häftlinge leiden unter psychischen Problemen.
Nach der brutalen Tat an den beiden Touristinnen mehren sich in Marokko die Stimmen, welche die Reaktivierung der Todesstrafe fordern. Der Redaktor des monatlich erscheinenden Geschichts-Magazins «Zamane» fasst die Stimmung im Land zum Doppelmord folgendermassen zusammen: «Die Kriminellen, die aus einer anderen Zeit der Menschheitsgeschichte stammen, verdienen nichts anderes als die umgehende Todesstrafe.»
Noch nie Schweizer hingerichtet worden
Die Situation ist für das EDA neu und auch ungemütlich. Noch nie sei in der jüngeren Vergangenheit ein Schweizer hingerichtet worden, man nehme den Fall «sehr ernst».
Soll sich das Aussenministerium für die Schwerverbrecher mit Schweizer Pass einsetzen? Zum Fall in Marokko äussert sich das EDA auf Anfrage von BLICK nur generell: «Schweizerinnen und Schweizer im Ausland sind den Gesetzen und der Rechtsprechung des Gastlandes unterstellt. Bei Strafen, die unserem Rechtsempfinden völlig fremd sind, wie Todesstrafe oder Körperstrafen, kann die Schweiz in Interventionen gegenüber den Behörden des betreffenden Staates ihren Standpunkt vertreten.»
EDA sind die Hände gebunden
Das heisst: Auch wenn der Schweizer Botschafter in Marokko wegen des Falles seine Ferien in der Schweiz abgebrochen und nach Rabat zurückgekehrt ist, wird er nicht viel ausrichten können. Er kann den marokkanischen Justizbehörden höchstens die Broschüre zur Abschaffung der Todesstrafe, die das EDA vor zwei Jahren herausgegeben hat, auf den Tisch legen.
Wie BLICK aus Diplomatenkreisen weiss, werde man aber den Prozess beobachten und allenfalls bei Verfahrensmängeln einschreiten. Auch sei es möglich, dass die Schweiz-Vertreter in Marokko die Inhaftierten träfen. Ob bereits ein Kontakt besteht, will das EDA nicht sagen.
Keine Hilfe durch Amnesty International
Die beiden inhaftierten Schweizer sind also auf sich selber und ihre regionalen Anwälte gestellt. Auch Amnesty International Marokko wird sich nicht um die beiden kümmern. Direktor Salah Abdellaoui: «Das ist nicht unsere Aufgabe. Unsere Mission ist der generelle Kampf gegen die Todesstrafe.»
Regelmässig stehe Amnesty International im Gespräch mit der marokkanischen Regierung, die einer Abschaffung der Todesstrafe offen gegenüberstehe. Doch noch immer prange die Exekution als Höchststrafe in den Gesetzen. Abdellaoui über seine Verhandlungen mit der Regierung: «Bisher blieb es nur beim Versprechen.»