Sogar Roboter eingesetzt
Diese Schätze haben die Höllen-Flammen überlebt!

Eine weltberühmte Orgel, historische Skulpturen, wunderbare Rosenfenster und die Dornenkrone Jesu: Notre-Dame ist die Heimat unbezahlbarer Kunst. Nur knapp entkam manche davon dem Feuer.
Publiziert: 15.04.2019 um 22:31 Uhr
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Aktualisiert: 17.04.2019 um 07:46 Uhr
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Von den Kunst- und Kirchenschätzen in Notre-Dame hat mehr überlebt, als angesichts der Flammen erwartet werden konnte.
Foto: Screenshot

Als die Flammen in Notre-Dame immer höher schlagen, ertönt plötzlich ein Lied. Kraftvoll klingt es durch die Strassen: Die Franzosen, die Touristen, sie alle singen «Ave Maria». Die Marienanrufung spendet Trost, als noch nicht klar ist, ob die Kathedrale in dieser Nacht fallen wird.

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Erst kurz vor Mitternacht gibt der Feuerwehrchef eine erste Entwarnung: «Man kann annehmen, dass die Struktur von Notre-Dame gerettet und in ihrer Gesamtheit bewahrt ist», sagte er.

Am Dienstagmorgen berichtet der französische Kulturminister Franck Riester: «Die Hauptstruktur wurde gerettet, aber es gibt immer noch jede Menge Instabilitäten. Gestern Abend brannten zwei Drittel des Daches, der Turm brach zusammen und bildete ein Loch im Gewölbe, ein Teil des Querschiffs brach auch zusammen.» Er wolle «vorsichtig bleiben», aber auch «optimistisch».

Heimat unbezahlbarer Kunst

Das Jahrhunderte alte Dach, der Mittelturm und Teile der Aussenfassade sind dem Brand gestern zum Opfer gefallen. Frankreich trauert. Hier sehen Sie die Vorher-Nachher-Bilder.

Notre-Dame ist der Ort, an dem für die Franzosen alles beginnt: Vom «Punkt Null», direkt vor den Türmen, werden die Entfernungen von allen Orten des Landes nach Paris vermessen.

«Informationen unwiederbringlich zerstört»
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Kunsthistorikerin zum Brand:«Informationen unwiederbringlich zerstört»

Doch Notre-Dame ist nicht nur der geographische Nullpunkt. «Jede Fläche, jeder Stein des ehrwürdigen Denkmals ist ein Blatt nicht allein der Geschichte des Landes, sondern auch derjenigen der Wissenschaft und Kunst», schrieb Victor Hugo («Der Glöckner von Notre-Dame») über die altehrwürdige Kathedrale.

Alle aktuellen Informationen rund um den Brand im Notre-Dame gibt es im Ticker.

Notre-Dame ist das Herz der katholischen Kirche in Frankreich – und beherbergt unbezahlbare Kunst- und Kirchenschätze. Deren Sicherung war eine grosse Herausforderung. Nach dem Einsturz des hölzernen Mittelturms mussten sich die Leute aus dem Inneren der Kirche zurückziehen. Statt menschlicher Arbeitskraft wurde ein Roboter eingesetzt, um die wertvollen Gegenstände zu sichern.

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Diese Kunstwerke haben die Höllen-Flammen überlebt!

  • Rosenfenster

Die prächtigen Rosenfenster von Notre-Dame – kreisrunde verglaste Fenster mit Masswerkfüllung – gehören zu den berühmtesten Glasmalereien der Welt und stammen aus dem 13. Jahrhundert. Drei von ihnen gibt es in der Kathedrale: eins im Westen, im Süden und im Norden des Kirchenbaus – und alle drei haben den Brand heil überstanden! Das bestätigte am Dienstagmittag ein Sprecher der Kathedrale auf dem Sender «BFM».

Die West-Rose befindet sich hinter der Orgel und ist mit zehn Metern Durchmesser etwas kleiner als die Süd-Rose.

Die Süd-Rose (Durchmesser: 12,90m) stammt von den damaligen Haus-Architekten der Kathedrale, Jean de Chelles und Pierre de Montreuil, und wurde 1260 eingefasst. Sie zeigt die Auferstehung Christi, das Neue Testament und die symbolische Zahl 4 – die zentrale Christus-Darstellung ist beispielsweise von vier Kreisen umgeben.

Das prächtigste und grösste Rosenfenster im nördlichen Querschiff hat einen Durchmesser von 13,1 Metern hat.

  • Dornenkrone

Während 400 Feuerwehrleute um das Gebäude kämpfen, war auch ein Grabesritter im Einsatz. Nach BLICK-Recherchen handelt es sich um den Seelsorger Jean-Marc Fournier. Der Pater riskierte sein Leben, um das zu retten, was den Katholiken lieb und teuer ist: die Passionsreliquien Jesu – darunter auch die berühmte Dornenkrone.

Mitten in der Nacht die erlösende Nachricht: Die Flammen haben den Kirchenschatz nicht erreicht. Die Dornenkrone, die Jesus bei seiner Kreuzigung getragen haben soll, konnte in das Pariser Rathaus gebracht werden. Ebenso das einfache Bussgewand, das Ludwig IX. (1214-1270) trug, als er die Dornenkrone zu Fuss nach Paris brachte. Das verkündete Anne Hidalgo, die Bürgermeisterin von Paris, auf Twitter.

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Die Kathedrale ist auch Heimat weiterer Leidenswerkzeuge der Passion Christi: der Heilige Nagel, mit dem Jesus ans Kreuz geschlagen wurde, sowie ein Splitter des Heiligen Kreuz. Nach bisherigen Informationen wurden sie ebenfalls gerettet.

  • Skulpturen und Stauen

Glück gehabt: 16 Kupferstatuen biblischer Figuren – die zwölf Apostel und vier Evangelisten – wurden bereits vergangene Woche im Rahmen der Renovierungsarbeiten mit einem hundert Meter hohen Kran vom Turm der Kathedrale Notre-Dame geholt. In drei Jahren sollten sie auf ihre alten Posten an der Spitze von Notre Dame zurückkehren.

  • Gemälde

76 Ölgemälde, fast jedes davon vier Meter hoch, sind dem Neuen Testament gewidmet – darunter die Kreuzigung Petri und das Damaskuserlebnis des Heiligen Paulus.

Dazu gehören zu Notre-Dame sechs Marien-Gemälde. Die meisten von ihnen befinden sich seit 1860 im Louvre, doch ein bedeutendes Werk war im Hauptschiff ausgestellt: «Die Heimsuchung Mariä» (1716) des französischen Künstlers Jean Jouvenet. In der Nähe hing zudem ein Porträt des Kirchenlehrers Thomas von Aquin aus dem Jahr 1648.

Am Dienstagmorgen gab der französische Kulturminister, Franck Riester, bekannt, dass die grossen Gemälde wasserbedinge Schäden aufweisen.

  • Orgel

In Notre-Dame steht eine der berühmtesten Orgeln der Welt, eine fünfmanualige Cavaillé-Coll, die zwar in den 1860er Jahren erneuert wurde, deren 8000 Pfeifen aber teilweise aus dem Mittelalter stammen. Erst vor sechs Jahren wurde die Orgel restauriert und jede Pfeife einzeln gereinigt!

Die wertvolle Orgel wurde laut dem französischen Kulturminister ziemlich beschädigt. Dahinter befand sich das West-Rosenfenster.

  • Glocken

Der Glöckner von Notre-Dame machte sie berühmt: Victor Hugos buckliger Held Quasimodo war fürs Läuten zuständig. Das enorme Interesse am Roman von 1831 bewegte die Franzosen übrigens dazu, das Gotteshaus umfassend zu renovieren.

Die Glocken haben den Brand offenbar überstanden. Nur der Mittelturm fiel dem Feuer zu Opfer – zum Glück aber nicht die anderen Türme. Die beiden westlichen Türme beherbergen nämlich die Glocken von Notre-Dame. Die grösste davon – «Emmanuel» wiegt 23 Tonnen!

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Haben Sie die Kathedrale auch schon besucht? Woran erinnern Sie sich noch heute? Erzählen Sie uns von Ihrem Erlebnis.

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Wahrzeichen der wechselhaften Geschichte Frankreichs

Wie ein Fels in der Brandung stand die zwischen 1163 und 1345 errichtete Kathedrale Notre-Dame de Paris. Sie hat miterlebt, wie über die Jahrhunderte Könige gekrönt wurden, wie die eidgenössischen Söldner im Spätmittelalter für die Krone kämpften und auch wie Napoleon Anfang des 19. Jahrhunderts loszog, um Europa zu erobern. Im Gegensatz zu andern berühmten Gotteshäusern war die Notre-Dame bisher vom Feuer verschont geblieben – bis am Montagabend.

Weil am Gotteshaus über Jahrhunderte immer wieder gebaut und getüftelt wurde, vereinigt es die Stile der Romanik und der Gotik in sich. Bei der französischen Revolution Ende des 18. Jahrhunderts zerstörten die Aufständischen viele der Schätze, beinahe auch die Orgel, um die Pfeifen zu Kanonen zu schmelzen. Anschliessend diente der heilige Ort als Weindepot, erst Napoleon erlaubte 1802 wieder die liturgische Nutzung, bevor er sich 1804 zum Kaiser krönte.

Grabstätte des Sonnenkönigs

Im knapp 130 Meter langen, fünfschiffigen Innenraum fanden gegen 10'000 Menschen Platz. Das Mittelschiff erreichte eine Höhe von 32,5 Metern. Schon vor dem Bau der Notre-Dame stand am gleichen Ort auf der Île de la Cité eine Kirche: der um 550 gebaute Stefansdom.

Die Notre-Dame ist auch Grabstätte für viele bedeutende Franzosen. Zum Beispiel wurden die Eingeweide von Sonnenkönig Ludwig XIV in der Kirche beigesetzt.

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So sieht die zerstörte Kathedrale aus der Luft aus.
Foto: Screenshot Gigarama
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