Schreiende Kinder, überforderte Security-Mitarbeiter, Tausende Menschen und Warteschlangen, die selbst den erfahrensten Reisenden zum Verzweifeln bringen. Was wir, Blick TV-Anchor Reto Scherrer (46) und Blick-Reporter Sven Ziegler (23), bei unserer Chaos-Flugreise am Samstag in Amsterdam erleben, übertrifft alles bisher beim Fliegen Erlebte.
Dabei hatten wir Amsterdam eigentlich nur als Zwischenstopp eingeplant. Die Idee: Von Zürich aus soll es via Schiphol nach Dublin weitergehen. Nach einer Übernachtung in der irischen Hauptstadt würden wir dann am Sonntag via London inklusive Flughafen-Wechsel die Retourreise nach Zürich antreten. Doch das unfassbare Durcheinander zerstört unseren Plan bereits nach der ersten Etappe. In den kommenden Stunden herrscht Chaos überall – und die Verspätungen summieren sich. Fast 12 Stunden sind es am Ende – in gerade mal zwei Tagen.
Als Letzte in den Flieger gesprintet
Dabei haben wir Glück, dass wir es überhaupt bis nach Amsterdam schaffen. Denn schon am frühen Samstagmorgen drohen wir unseren ersten Flug von Zürich in die holländische Hauptstadt zu verpassen. Das Online-Check-in der Swiss will nicht funktionieren. Somit müssen wir uns in die «normale» Check-in-Schlange stellen. Die Minuten ziehen vorbei, die Uhr tickt bedrohlich.
Als das Boarding unseres Flugs schon begonnen hat, wenden wir uns kurzerhand an die Supervisorin. Und die erkennt Reto sofort: «Ich komme aus dem gleichen Ecken der Schweiz wie du!» Reto kann seinen Promi-Bonus voll ausspielen. Kurzerhand checkt uns die Supervisorin selbst ein und sorgt dafür, dass eine Mitarbeiterin Retos Koffer in Empfang nimmt.
Als wir den Check-in-Schalter verlassen und durch die Sicherheitskontrolle sind, läuft unser Boarding bereits seit 10 Minuten. Wir legen einen riesigen Sprint hin, gelangen gerade noch rechtzeitig zum Gate. Als letzte Passagiere hechten wir in das Flugzeug. Auf in die holländische Hauptstadt!
Reto muss den Koffer zurücklassen
In Amsterdam angekommen, wird schnell klar: Der Aufenthalt wird der blanke Horror. Schon in der Gepäckhalle ist das Chaos offensichtlich. Überall stehen Gepäckstücke, auf den Bändern drehen herrenlose Koffer ihre Runden.
Dafür ist das Gepäck aus Zürich nirgends zu sehen. Zwei Stunden lang wartet Reto auf seinen aufgegebenen Koffer, den er für die Weiterreise nach Dublin aus- und wieder einchecken muss. Dann ist klar: Sein Gepäck muss zurückbleiben: «Meine Tochter (7) hat mir extra noch ein Herz auf den Koffer geklebt. Sie meinte, ich würde den Koffer dann auf dem Band besser finden», sagt er. Wo sein Gepäck jetzt ist, wissen wir noch immer nicht.
Vier Stunden Warteschlange
Was wir dann aber ausserhalb der Ankunftshalle sehen, verschlägt uns die Sprache. Die Warteschlangen für den Check-in gehen bis auf die Strasse. Ein Flughafenmitarbeiter sagt: «Die Schlangen sind bestimmt einen halben Kilometer lang». Sie in zügigem Tempo abzulaufen, dauert rund sieben Minuten. Im vorderen Drittel erklärt eine Frau, sie stehe seit drei Stunden an. Die Schlange ist so lang, dass Helfer den verzweifelten Reisewilligen Wasserflaschen in die Hand drücken.
Auch wir müssen uns einreihen. Vier Stunden stehen wir an. Tausende Menschen, überall. Schafft man es endlich um eine Ecke, wartet die nächste Halle voller anstehender Menschen. Eine Frau bricht in Tränen aus, erleidet nach drei Stunden eine Panikattacke. Vom Personal ist niemand zu sehen. Ihr Begleiter reisst wutentbrannt die Absperrungen zu Boden. In Amsterdam herrscht blankes Chaos.
Zwei Stunden Verzögerung beim neuen Flug
Als wir endlich durch die Sicherheitskontrolle sind, ist das Flugzeug nach Dublin weg. Hunger, Durst und Erschöpfung plagen uns. Wie weiter? «Ich gehe hier nicht mehr raus, sonst muss ich wieder anstehen», sagt Reto klipp und klar. Schnell wird klar: Nach Dublin kommen wir auch über Umwege nicht. Also brauchts eine Alternative. Und die findet sich mit einem Kurzflug nach Southampton. Kurzerhand wechseln wir das Gate und besteigen die Maschine via Bus.
Als alle Passagiere an Bord sind, drängt sich der Pilot in die Kabine. Man warte auf das Gepäck, der Start verzögere sich. «Es ist kein Geheimnis, dass Personal fehlt», meint der Kapitän. Erst mit einer Stunde Verzögerung tauchen die Koffer ein. Doch nach dem Einladen passiert: Nichts. Es fehlt ein Fahrzeug, welches das Flugzeug vom Gate zurückschiebt. «Wir stehen auf einer Warteliste», meint der Pilot. Wann es losgehe? Schulterzucken.
Hotel-Abzocke in London
Mit über zwei Stunden Verspätung und nach neun Stunden blankem Amsterdam-Horror lassen wir Amsterdam endlich hinter uns und fliegen nach England. Der Bord-Service ist eingeschränkt, wir erhalten für unsere durstigen Lippen einen kleinen Becher Wasser. Mehr gehe nicht, man habe nicht genügend Wasser an Bord. Wir schlafen etwas, die Laune wird besser. Von Southampton aus geht es mit dem Zug, auch der hat 35 Minuten Verspätung nach London. Dort schlägt die Übernachtungsbranche aus unserer Not Profit: 660 Franken bezahlen wir für ein Doppelzimmer im günstigsten noch verfügbaren Hotel – ohne Frühstück.
Den Plan am Sonntag halten wir nach den Erfahrungen vom Vortag simpel. Wir wollen von London-Heathrow zurück nach Zürich reisen. Doch auch Heathrow gilt als Horror-Tempel der Flugbranche. Auch hier fehlt Personal, auch hier soll es schon hunderte Meter lange Schlangen gegeben haben. Doch nicht bei uns: Fliessend geht es durch die Sicherheitskontrollen, nach 12 Minuten haben wir alle Kontrollen hinter uns. Anders als in Amsterdam weisen Leute die Passagiere den Schaltern zu, es geht zügig voran. «Schaut mal her, Amsterdam, so muss es sein», sagt Reto anerkennend.
«Zuhause ist es am Schönsten»
Ganz so zügig geht es doch nicht zurück in die Schweiz. Aus «betrieblichen Gründen» verzögere sich der Start auf unbestimmte Zeit, heisst es am Gate. Also: Wieder warten. Knapp 45 Minuten nach dem geplanten Start dürfen wir dann doch noch einsteigen – nur, um sitzen zu bleiben.
Durch die Verzögerung hat das Flugzeug sein Startfenster verpasst. Und bis zu einem neuen Fenster kann es dauern. «Im dümmsten Fall stehen wir noch einmal 30 Minuten hier», heisst es aus dem Cockpit. Bei uns löst das nach den Strapazen des Vortags nur noch ein Schmunzeln aus.
Mit viel Verspätung geht es dann doch noch in Richtung Schweiz zurück. Aus der Mega-Route ist ein Mini-Trip geworden. Nach dem Chaos an den Flughäfen ist für Reto klar: «Ich bleibe diesen Sommer definitiv zu Hause!»
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