Eigentlich hatte der Präsident in der Nacht zum Mittwoch nur über sein Wahlversprechen zur Sanierung der amerikanischen Infrastruktur reden wollen. Dazu hatte er eine Pressekonferenz in seinem Trump Tower in New York anberaumt. Aber dann hatten die Reporter auch noch Fragen zu den rechtsextremen Ausschreitungen am vergangenen Wochenende in Charlottesville, Virginia.
Und da gingen mit dem Herrn im Weissen Haus die Pferde durch. Die Gewalt sei von rechten wie linken Extremisten ausgegangen, wiederholte ein zunehmend unkontrolliert wütender Trump seine erste Interpretation der Vorfälle, bei der er weder Nazi-Gruppen noch den offen rassistischen Ku-Klux-Klan als verantwortlich hatte benennen wollen. Die Mehrzahl der rechtsextremen Demonstranten in Charlottesville, von denen viele zum Hitlergruss «Heil Trump» gebrüllt hatten, seien «nette und anständige» Kerle gewesen.
Er zeigte sein wahres Gesicht
Vergessen waren die beschwichtigenden Sätze, die ihm seine Berater noch am Montag aufgeschrieben hatten, um die über alle Parteigrenzen hinweg hochkochende Empörung über Trumps Nähe zum rechtsextremen Lager einzudämmen.
Weg flog die Maske des Biedermanns. Ohne seine Berater und im direkten Austausch mit den Journalisten zeigte der Präsident mit ungezügelter Wut sein wahres Gesicht: Donald Trump, der mächtigste Mann der Welt, steht den Rechten nicht nur nahe. Der Präsident der USA ist ein gefährlicher Brandstifter.
Kein Wort mehr sagte er etwa über den Rechtsextremisten James Alex Fields, der am Samstag mit seinem Auto absichtlich in eine Gruppe von Gegendemonstranten gerast war. Die 32-jährige Heather Heyer starb sofort. 19 Verletzte liegen immer noch im Spital.
Justizminister Jeff Sessions hatte das Ereignis als «rechtsextremistischen Terrorakt» bezeichnet. Davon wollte der Präsident mit dem inzwischen puterrot angelaufenen Gesicht nichts wissen. Statt immer auf der rechten Sammelbewegung «Alt-Right» herumzuhacken, sollten die Fake-News-Medien doch lieber mal auf das hinweisen, was die Linken von «Alt-Left» am vergangenen Wochenende getan hätten.
Auch die grösste Gewerkschaft distanziert sich von ihm
Die in Charlottesville offen zur Schau gestellte Gewaltbereitschaft der Rechtsextremisten und die Reaktionen darauf aus dem Weissen Haus sind eine wichtige Zäsur in der kurzen Regierungszeit von Donald Trump. Ohne jeden Grund hat er die Empörung der amerikanischen Öffentlichkeit wieder entfacht
Selbst unter den Republikanern mehren sich die Stimmen derer, die dem Präsidenten jede moralische Qualifikation für sein Amt absprechen. Unmittelbar nach den Ereignissen in Charlottesville hatten sich schon mehrere wichtige Wirtschaftskapitäne aus seinem Beraterkreis verabschiedet. Jetzt will auch die grösste amerikanische Gewerkschaft mit ihm nichts mehr zu tun haben.
Immerhin ein sehr unappetitlicher Freund ist Trump geblieben: Nur wenige Minuten nach der Pressekonferenz twitterte David Duke, der frühere Anführer des Ku-Klux-Klan, dem Präsidenten seinen und den Dank aller Patrioten: «Trump allein habe den Mut gehabt, die Wahrheit über die Ereignisse von Charlottesville zu sagen.»