Sie liess es sich gut gehen – auf Kosten der Gebührenzahler. Jetzt ist Patricia Schlesinger (61) ihre zwei Jobs im öffentlichen Rundfunk in Deutschland los. Zuerst trat sie als ARD-Vorsitzende zurück, kurz darauf als Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB).
Schlesinger war seit 2016 die Intendantin des RBB. Zuvor leitete sie den Programmbereich Kultur und Dokumentation beim NDR. Den ARD-Vorsitz hätte Schlesinger noch bis Ende 2023 innegehabt.
Zu gross war der Druck auf sie, nach dem bekannt wurde, dass sie mit Gebührengeldern einen teuren Lebensstil finanziert haben soll. Unter anderem liess sie ihr Büro renovieren. Der alte Teppichboden kam raus und neues Parkett rein. Kostenpunkt: umgerechnet fast 16'500 Franken. Dazu neue Möbel für fast 60'000 Franken, wie die «Bild» berichtet.
Lukrative Aufträge für den Ehemann
Allein für den Umbau sollen über 640'000 Franken einkalkuliert worden sein. Daneben soll Schlesinger unter anderem Abendessen in ihrer Privatwohnung, für die der gebührenfinanzierte RBB aufkam, nicht richtig abgerechnet und ihren Dienstwagen auch für private Fahrten genutzt haben. Die Gäste bekamen unter anderem ein Vier-Gänge-Menü serviert. Darunter Terrine vom Wildlachs und Kürbissalat oder Hirschkalbrücken und Pfifferlinge.
Zudem soll der RBB-Verwaltungsratsvorsitzende Wolf-Dieter Wolf (78) in seiner Rolle als Aufsichtsratschef der landeseigenen Messe Berlin den Ehemann von Schlesinger und ehemaligen «Spiegel»-Journalisten Gerhard Spörl (72) mit lukrativen Berateraufträgen versorgt haben. Diese sollen einen Gesamtwert von 136'000 Franken gehabt haben.
Der RBB hatte bereits vor dem Rücktritt als Reaktion auf die Vorwürfe angekündigt, Planungen für einen Neubau ruhen zu lassen. Zudem soll Wolf sein Amt vorübergehend nicht mehr ausüben.
Der Rückzug sei für sie logische Konsequenz
Schlesinger erklärte am Donnerstag ihren ARD-Rücktritt. Am Sonntag gab sie bekannt, auch den Vorsitz bei RBB abzugeben. Sie begründete ihre Entscheidung mit ihrer Verantwortung gegenüber dem Sender und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
«Aktuell steht nicht mehr die journalistische und publizistische Leistung des Senders im Vordergrund, sondern es geht nur um mögliche und angebliche Verfehlungen der Intendantin», erklärte sie. «Das bedauere ich sehr und ich entschuldige mich bei den Beschäftigten des RBB für diese Entwicklung.»
Der Rückzug sei für sie eine logische Konsequenz aus ihrem Versprechen, immer und zuerst für die Belange des RBB einzutreten, fügte sie hinzu. Gleichzeitig hätten «persönliche Anwürfe und Diffamierungen ein Ausmass angenommen, das es mir auch persönlich unmöglich macht, das Amt weiter auszuüben», erklärte Schlesinger. «Ich hoffe, dass ich mit diesem Schritt die anstehende Aufklärung der Vorwürfe erleichtere.»
«Der Wille zu Aufklärung und Transparenz darf nicht erlahmen»
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) begrüsste den Rückzug Schlesingers von der RBB-Spitze. «Es ist angesichts der unaufgeklärten, von Patricia Schlesinger nicht glaubhaft entkräfteten Vorwürfe des Missmanagements und der Günstlingswirtschaft richtig und konsequent, dass sie mit sofortiger Wirkung zurücktritt», erklärte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall (51). Bei der Suche nach einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger komme es darauf an, eine fachlich kompetente und absolut integre Führungsfigur zu finden.
Der Vorsitzende des DJV Berlin/JVBB, Steffen Grimberg, betonte, mit dem Rücktritt von Schlesinger sei es nicht getan. «Der Wille zu Aufklärung und Transparenz darf nicht erlahmen», erklärte er. Es müsse lückenlos recherchiert werden, ob und wenn ja, in welchem Umfang Mittel aus dem Rundfunkbeitrag zweckwidrig ausgegeben worden seien. Ausserdem gelte es nun, «den Kolleginnen und Kollegen im RBB den Rücken zu stärken, um verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen». (jmh/AFP)