Dies legt die Auswertung von «Rosetta»-Aufnahmen der Kometenoberfläche nahe, wie das Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) am Mittwoch in Göttingen mitteilte. Die Aufnahmen zeigen sonderbare, schachtartige Vertiefungen, die gewöhnlichen Kratern völlig unähnlich sind, und aus denen Staub und Gas ins All entweichen.
Über ihre Entdeckungen berichten die Forscher im Fachmagazin «Nature». Die Wissenschaftler unter Leitung von Jean-Baptiste Vincent vom MPS werteten Aufnahmen des Kometen aus, die das wissenschaftliche Kamerasystem «Osiris» an Bord der «Rosetta»-Raumsonde zwischen Juli und Dezember vergangenen Jahres aufgenommen hatte.
Die «Rosetta»-Sonde der Europäischen Weltraumagentur ESA war im vergangenen August in eine Umlaufbahn um den Kometen 67P/Tschurjumov-Gerasimenko eingeschwenkt, der kurz Tschuri genannt wird.
Die schachtartigen Vertiefungen auf dem Brocken aus Eis, gefrorenen Gasen und Staub treten laut MPS in verschiedenen Grössen auf: Ihre Durchmesser liegen zwischen zehn und einigen hundert Metern.
Zudem haben sie nahezu vertikale Seitenwände und sind aussergewöhnlich tief - die grösseren reichen bis zu zweihundert Meter ins Innere von Tschuri. An ihren Innenseiten zeigen die Aufnahmen Schichtungen und Terrassierungen.
Ähnliche Strukturen kennen Forscher den Angaben zufolge bereits von den Kometen 9P/Tempel 1 und 81P/Wild 2, die Ziel der NASA-Missionen «Deep Impact» und «Stardust» waren. «Wegen ihrer ungewöhnlichen Form unterscheiden sich diese Schächte deutlich von Einschlagskratern», erläuterte der «Osiris»-Wissenschaftler Vincent. «Es scheint sich um ein typisches Merkmal von Kometen zu handeln».
Die Analysen der Forscher ergaben zudem, dass feine Staubfontänen von den Innenseiten der Schächte ausgehen. Durch dieses «Staubspucken» allein könnten sich die ungewöhnlichen Strukturen aber nicht gebildet haben, teilte das MPS weiter mit.
Gefrorene Gase, die unter dem Einfluss der Sonne aus dem Kometenboden verdampfen, könnten nicht genug Staub mit sich reissen, um Löcher dieser Grösse zu erzeugen. Dafür wären zum Teil tausende Jahre nötig. Der «Rosetta»-Komet Tschuri dringe auf seiner Umlaufbahn aber erst seit 1959 ins innere Sonnensystem und damit in die Nähe der Sonne vor.
Stattdessen spricht nach Einschätzung der Forscher alles dafür, dass es sich bei den Löchern um eingestürzte Hohlräume handelt. «Offenbar werden diese unterirdischen Hohlräume mit der Zeit immer grösser, bis die Deckschicht instabil wird und einstürzt», erläuterte der MPS-Forscher Holger Sierks, der Ko-Autor der Studie ist und das «Osiris»-Team leitet. Als Folge tritt an den Rändern der Vertiefung frisches Material zu Tage, aus dem Gase verdampfen und das so die auf Tschuri beobachteten Fontänen speist.
Die «Rosetta»-Sonde hatte mit ihrem Landeroboter «Philae» im vergangenen Sommer nach zehnjähriger Reise ihren Zielkometen Tschuri erreicht und umkreist seither den kleinen Himmelskörper. Im vergangenen November landete das Minilabor «Philae» auf dem Kometen.