Mit schmerzverzerrtem Gesicht gleitet sie auf einer Trage den Jbel Toubkal in Marokko hinunter. Einer ihrer zwei Begleiter hält ihr Bein und das gebrochene Fussgelenk mit einem Seil hoch. Um ein Haar wäre die Schweizerin in einer Lawine auf dem höchsten Berg Nordafrikas ums Leben gekommen. Doch eine Truppe um den Bergführer Omar Ait Ahmad (25) rettet sie.
Wie es so weit kam, erzählt der junge Marokkaner den «Morocco World News». Ein Schweizer Paar macht sich Mitte der letzten Woche auf, den Gipfel des Toubkal zu besteigen. An einem Hügel, zwischen 30 und 100 Meter vom Gipfel entfernt, geschieht am Samstag das Unglück: «Unter dem Hügel gibt es ein gefährliches Loch, das mit Lawinenschnee bedeckt ist», sagt Ahmed. Kurz bevor sie den Hügel erreichen, stürzen die Schweizer.
Ahmad ist rund 20 Meter entfernt, als er die Schreie der anderen Alpinisten hört. Den Anwesenden gelingt es, dem Mann ein Seil zuzuwerfen und ihn zu retten. Er wird in Sicherheit gebracht. Doch seine Partnerin stürzt in die Tiefe. «Ich rannte zurück und sah, dass sie die Lawine mitgerissen hat.»
Eine Nacht in der eisigen Kälte
Eine Gruppe von Bergführern und Alpinisten folgen dem Verlauf der Lawine, die gemäss Ahmad 900 Meter weit in die Tiefe geht. «Nach 700 Metern kamen wir nicht mehr weiter. Es war eine schwierige Stelle, und all unsere Seile waren aufgebraucht.» Die Gruppe muss vorerst aufgeben. Es ist Samstagnachmittag, 14 Uhr.
Die Schweizerin verbringt eine Nacht alleine in der eisigen Kälte. Am Sonntagmorgen um vier Uhr früh starten Ait Ahmad und drei weitere Männer einen neuen Versuch. «Wir wählten eine andere Route, um sie zu retten, weit weg vom Berg.»
Am Sonntagabend um 21 Uhr erreichen sie die verunglückte Schweizerin endlich. «Sie hatte ihren rechten Fuss gebrochen und war total unterkühlt», sagt Ait Ahmad. «Wir wechselten ihre Kleider und gaben ihr zu essen.»
Video der Rettung geht viral
Doch die Tortur ist noch nicht zu Ende: Die Alpinistin muss den Berg hinuntergebracht werden, zu einer Stelle, wo sie der Helikopter abholen kann. Die Bergführer helfen ihr. «Zuerst schrie sie wegen des Schmerzes an ihrem Knöchel. Doch dann konnten wir sie in eine angenehmere Position bringen», sagt Ahmad, der ein Video der Rettungsaktion auf Facebook veröffentlicht hat – es verbreitet sich rasant in den sozialen Medien.
Eine Stunde lang helfen ihr die Männer den Berg hinunter, bis sie auf zwei Retter mit einer Trage treffen. Auf dieser dauert die Bergung weitere sieben lange Stunden. Erst am frühen Montagmorgen erreicht die Gruppe den Helikopter, der die Schweizerin in ein Spital in Marrakesch bringt.
Gemäss Omar Ait Ahmad wurde sie gestern operiert. Die Verunglückte – ebenso wie ihr Retter – waren für BLICK zunächst nicht erreichbar. (rey)