Sie wollten Krieg, Terror und Armut entfliehen. In Australien ein neues Leben beginnen. Doch die Behörden verschifften sie auf Nauru, einen Inselstaat im Pazifik. Hier leben sie hinter einem Stacheldraht, in umzäunten Flüchtlingslagern, die eher einem Gefängnis gleichen.
Es ist das Schicksal von rund 800 anerkannten Flüchtlingen aus Afghanistan, Iran, Sudan und Myanmar. Das zeigt ein Bericht der Flüchlingsorganisationen ASRC und dem Refugee Council of Australia. Die meisten von ihnen sind schon seit Jahren hier. Von den Inselbewohnern werden sie nicht akzeptiert. Gewalt und sexuelle Ausbeutung gehören zum Alltag. Perspektiven haben sie keine. Hoffnung auch nicht.
Mädchen (14) zündete sich an
Die miserablen Lebensbedingungen treffen die Jüngsten. Nach Angaben von ASRC sind 109 Kinder in den drei Lagern auf Nauru untergebracht. Fünfzig von ihnen sind in einem psychisch kritischen Zustand. Dreissig schweben in Lebensgefahr.
Zeugen vor Ort berichten von Kindern, die Rasierklingen oder Steine schlucken. Manche versuchen, sich zu erhängen. Eine 14-Jährige übergoss sich mit Benzin und zündete sich selbst an. Eine 17-Jährige, die einmal Ärztin werden wollte, weigerte sich zu essen oder zu trinken. Diese und zehn ähnliche Fälle hat ASRC allein seit Februar registriert.
«Sie sind gebrochene Menschen»
Die meisten Beobachter sind sich einig: Die Kinder brauchen dringend Hilfe. Doch auf Nauru gibt es für sie kaum Behandlungsmöglichkeiten. Und die australische Regierung stellt sich quer: Sie weigert sich, sie ins Land zu lassen und sie unterzubringen. Ärzte und Organisationen in Nauru haben 50 Gesuche gestellt. In 25 Fällen hatte sie Erfolg. Die Überweisung dauerte Monate.
Zeit, welche die Kinder nicht haben. Kinderpsychologe Vernon Reynolds behandelt seit letztem Jahr immer mehr Patienten. «Der allgemeine psychische Gesundheitszustand ist katastrophal», sagt er.
Nach der Flucht kämen die Kinder schon traumatisiert auf der Insel an. Hinter den Gittern der Lager könnten sie sich kaum erholen. «Nach den jahrelangen Strapazen sind sie gebrochenen Menschen», so Reynolds. Die Behörden wüssten von den Problemen, täten aber nichts.
Flüchtlingslager ist verfassungswidrig
Wenn es um Flüchtlinge geht, bleibt Australien erbarmungslos. Selbst anerkannte Flüchtlinge lassen die Behörden generell nicht ins Land. Das zweite berüchtigte Flüchtlingslager auf der Insel Manus musste im Oktober 2017 geschlossen werden, nachdem ein Gericht in Papua-Neuguinea es als verfassungswidrig eingestuft hatte.
Der Inselstaat Nauru ist finanziell von Australien abhängig. Neuseeland hatte zuletzt angeboten, 150 Familien von Nauru aufzunehmen. Australien lehnte ab – aus Angst, die Flüchtlinge könnten so doch noch ins Land kommen.