Ende vergangener Woche trat Keith Ellison, Generalstaatsanwalt des US-Bundesstaats Minnesota vor die Medien und verkündete: «Wir klagen Derek Chauvin an, Mord zweiten Grades an George Floyd begangen zu haben.» Das war eine Überraschung. Polizist Chauvin hatte am 25. Mai in der Stadt Minnesota Floyd, einen Schwarzen, umgebracht, indem er fast neun Minuten auf seinen Hals kniete – doch bislang war er erst des Totschlags angeklagt gewesen.
Nun ist klar, warum Generalstaatsanwalt Ellison die Anklage verschärfte: Er hat erfahren, dass Chauvin und Floyd sich kannten – und sich nicht ausstehen konnten. «Sie gerieten regelmässig aneinander», sagte David Pinney in einem Interview mit dem Sender CBS.
Beide arbeiteten im Nachtclub
Pinney arbeitete wie Chauvin und Floyd im Nachtclub El Nuevo Rodeo, der sich nicht weit von dem Laden entfernt befand, vor dem Floyd getötet wurde. Inzwischen ist der Club während der Unruhen der letzten Woche niedergebrannt. Floyd war zuständig für die Sicherheit im Nuevo Rodeo, Chauvin verdiente sich nach den Feierabenden ein Zubrot, indem er sich schlicht im Polizeiauto vor den Club stellte.
Und dort kam es regelmässig zu Streit, so Mitarbeiter Pinney: «Es hing meist damit zusammen, dass Derek Chauvin gegenüber manchen Kunden enorm aggressiv auftrat.» Genauer gesagt: gegenüber Kunden mit einer anderen Hautfarbe.
Maya Santamaria, die Besitzerin des Clubs, war sich nicht sicher, ob Floyd und Chauvin sich kannten. Die beiden kreuzten sich nicht bei jeder Schicht. Aber eines weiss sie: Chauvin hat ein Problem mit Schwarzen. «Ich glaube, er fürchtet sie und fühlt sich von ihnen eingeschüchtert», sagt sie. Bei George Floyd kam hinzu, dass er damit betraut war, die Lohnschecks innerhalb des Clubs entgegenzunehmen und sie dann Mitarbeitern vor dem Club weiterzugeben – Mitarbeitern wie Polizist Chauvin.
Die Sache mit dem Gehaltsscheck
In mindestens einem Fall, so erinnert sich Kollege Pinney, sei es deshalb zum Streit gekommen: «Derek hielt sich darüber auf, dass er zu wenig bekommen habe, und liess das an George aus. Obwohl es ja gar nicht dessen Job war, die Höhe der Schecks zu bestimmen.» Das war Sache der Chefin.
Darum ist Pinney überzeugt: «Die beiden kannten sich gut. Ich bin sicher, an jenem tödlichen Tag vor dem Laden wusste Derek ganz genau, wer George war.» Er wird das wohl bald vor Gericht bezeugen können. Die Generalstaatsanwaltschaft wird nachweisen wollen: George Floyd wurde Opfer eines Mordes. Als Rache für Streitereien beim Job. Ausgeführt, als sich Derek Chauvin die Gelegenheit dazu bot.
Und niemand hatte ihn aufgehalten. (ley)