München zeigt sich von seiner schönsten Seite. Blauer Himmel, strahlende Sonne: Die ersten Frühlingsboten empfangen die VIPs der Weltpolitik am Freitag an der Münchner Sicherheitskonferenz. Die Sehnsucht nach Tauwetter ist gross. Zu viele Menschen sterben in der Ukraine, in Gaza, in Afrika. Doch statt Hoffnungsschimmer gibt es blutige Nachrichten.
«Russland ist für Nawalnys Tod verantwortlich»
Die Nachricht vom Tod des russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny (†47) sorgt für Empörung. «Welche Geschichte Moskau auch immer erzählen wird: Russland ist verantwortlich», betont US-Vizepräsidentin Kamala Harris (59).
Danach betritt Julija Nawalnaja (47) die Bühne. Mit brüchiger Stimme, aber entschlossenem Ernst sagt die Witwe: «Putin lügt. Putin wird nicht straflos davonkommen. Er wird büssen müssen und zur Verantwortung gezogen. Und dieser Tag wird bald kommen.» Sie ruft die internationale Gemeinschaft auf, «dieses furchtbare Regime zu bekämpfen. Putin muss persönlich zur Verantwortung gezogen werden für all die Gräueltaten, die er verübt hat.» Das Publikum dankt Julija Nawalnaja mit Ovationen im Stehen. Ein schwacher Trost, der den Schmerz über den Tod ihres Ehemanns kaum lindern kann.
Terroranschlag in Israel – zwei Tote
Auch aus anderen Erdteilen gibt es Horror-Nachrichten. Nach wie vor hält die Hamas über 130 Geiseln gefangen. Am Freitag kommt es zu einem weiteren Terroranschlag: Im Süden Israels ermordet die Hamas zwei Israelis an einem Busbahnhof, weitere vier Menschen werden verletzt.
Auch in der Ukraine und im Jemen ist kein Friede im Sicht. Unterdessen versucht die US-Vizepräsidentin, Zweifel an der Führungsrolle Amerikas auszuräumen. Vor allem die US-Republikaner wehren sich gegen die Milliarden-Zahlungen für die Ukraine. Präsidentschaftskandidat Donald Trump behauptet, er könne den Ukraine-Krieg innerhalb von 24 Stunden beenden. Beobachter rechnen damit, dass Trump zu einem Kompromiss mit Putin bereit ist und Teile der Ukraine opfern würde.
Klares Bekenntnis zur Nato
Demonstrativ beschwört Kamala Harris die Solidarität mit der Ukraine und legt ein Nato-Bekenntnis ab: «Wir werden der Ukraine Waffen liefern. Ein Versagen wäre ein Geschenk für Putin. Die Nato ist zentral für unsere globale Sicherheit. Ein Anschlag auf ein Nato-Mitglied ist ein Anschlag auf alle Mitglieder.»
Die einzige Schweizerin, die während der Sicherheitskonferenz etwas zu sagen hat, ist Mirjana Spoljaric Egger (52). Die Präsidentin des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) steht unter Druck: Sie muss massiv sparen und hat Tausende Stellen gestrichen. Hinzu kommt Kritik von Konfliktparteien, das IKRK verhalte sich nicht neutral. Israel ist enttäuscht, dass das IKRK nicht mehr Geiseln befreit. Die Ukraine wiederum verdächtigt das Rote Kreuz, mit Moskau zu verständnisvoll umzugehen. Spoljaric Egger verweist in München mehrmals auf die Neutralität des Roten Kreuzes und das humanitäre Völkerrecht. Grosse Worte, die vor lauter Säbelrasseln auf aller Welt kaum gehört werden.
Schweizer Friedensvorstoss kein Thema
Die Sehnsucht nach dem Münchner Frühling ist gross – doch er ist nicht in Sicht. Am Samstag wendet sich der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (46) an die Weltöffentlichkeit. Doch auch von ihm wird es eher Durchhalteparolen denn Hoffnung auf Frieden geben.
Keine Rolle spielte in München bislang das Vorhaben der Schweiz, eine Friedenskonferenz für die Ukraine in Genf auszurichten. Dafür hatten Bundespräsidentin Viola Amherd (61) und Aussenminister Ignazio Cassis (62) auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos geworben. Doch auch hier gibt es keinen Durchbruch.
Friedensgipfel im ersten Halbjahr 2024 geplant
Nur so viel war aus Kreisen des Bundesrats zu erfahren: Bern arbeitet mit Hochdruck daran, die Konferenz noch im ersten Halbjahr 2024 durchzuführen. Statt eines Münchner Frühlings gäbe es idealerweise einen Genfer Sommer – ein Sommermärchen hingegen gilt als unwahrscheinlich. Denn Russland lehnt es nach wie vor ab, Friedensverhandlungen zu beginnen. Auch China, Brasilien, Südafrika und Indien haben bislang kein Interesse am Schweizer Friedensvorstoss gezeigt. Und die USA halten das Berner Vorgehen für verfrüht. Es bleibt viel zu tun.