BLICK: Herr Schmidt, Sie haben vorausgesagt, dass Kim Jong Un auf die letzten Sanktionen mit einer Rakete antworten wird.
Hans-Joachim Schmidt: Ja, das war zu erwarten. Nordkorea hatte eine Reaktion auf Sanktionen angekündigt, und ein Raketentest war deshalb wahrscheinlich. Es war ein deutliches Signal an die Weltgemeinschaft und den UN-Sicherheitsrat, dass die Führung diesen und seine Sanktionsresolution nicht respektiert. Allerdings war der Raketentest aus meiner Sicht eine gemässigte und kontrollierte Reaktion.
Gemässigt – wie meinen Sie das?
Nun, es handelte sich um eine Mittelstreckenrakete und nicht um eine Interkontinentalrakete oder einen weiteren Nukleartest. Kim Jong Un wollte nach aussen und innen zeigen, dass alle regionalen US-Stützpunkte – zum Beispiel der auf Guam – in seiner Reichweite sind. Die nordkoreanische Führung drängt damit aber auch auf Gespräche, natürlich zu ihren Bedingungen.
Eine Rakete als Signal für Gesprächsbereitschaft?
Nordkorea strebt schon lange eine Friedensregelung an, um den Waffenstillstand von 1953 zu ersetzen. Das geht nur im Dialog. Diese Reaktion zeigt: Sie wollen sich von Sanktionen nicht unterkriegen lassen und als Nuklearmacht akzeptiert werden. Sie werden wahrscheinlich noch dieses Jahr einen weiteren Atomtest durchführen, man hat bereits wieder Aktivität auf dem Testgelände festgestellt.
Warum schoss Japan die Rakete eigentlich nicht einfach ab?
Aus mehreren Gründen. So war bereits Sekunden nach dem Abschuss klar, dass die Rakete nicht japanisches Territorium treffen würde. Die nordkoreanische Rakete erreichte über Japan eine Höhe von 770 Kilometern – diese Höhe ist für das japanische Abwehrsystem schwer zu erreichen. Zudem: Wären sie beim Abfangversuch gescheitert, wäre dies grossartige Propaganda für die Nordkoreaner. Und zu guter Letzt: Es gibt auch noch ein legales Problem, denn die Rakete befindet sich in 770 Kilometern Höhe im Weltraum. Das ist nicht mehr japanischer Luftraum, den Tokio selbstverständlich verteidigen dürfte.
Wie werden die USA reagieren?
Es ist schon mal gut, dass Donald Trump nicht auf Twitter losgewütet hat. Das zeigt, dass seine Berater ihn bremsen können, damit die Spannungen nicht noch verstärkt werden. Die USA werden bei Russland und China darauf drängen, dass die beschlossenen Sanktionen sofort umgesetzt werden.