Ein Fall von sexueller Belästigung aus Italien schlägt derzeit hohe Wellen. Obwohl ein Hauswart (66) im April 2022 in Rom einer Gymnasiastin (17) von hinten in die Hose gefasst hat, kam er ungestraft davon. Das entschied diese Woche ein Gericht in der italienischen Hauptstadt.
Kaum zu fassen: Der Mann wurde vom Vorwurf der sexuellen Nötigung freigesprochen, da der Übergriff «zu wenig lange gedauert» hätte – so die Argumentation des Richters. Das berichtet die italienische Tageszeitung «Corriere della Sera».
Ein «ungeschicktes, aber lustfreies Manöver»
Wie das Mädchen schilderte, hatte der Mann von hinten in ihre Hose gegriffen, als sie die Treppe hinaufging. Fünf bis zehn Sekunden lang habe er ihren Po angefasst. Als sie sich daraufhin umdrehte, habe er das Ganze als Scherz abgetan. Das Gericht sprach deshalb von einem «ungeschickten, aber lustfreien Manöver». Eine Straftat sei nicht zu erkennen.
In Italien lösen das Urteil und insbesondere die Argumentation des Gerichts Entsetzen und Proteste aus. In den sozialen Medien überschlagen sich die Reaktionen. Seit dem Urteil trenden Hashtags wie #10secondi (Zehn Sekunden) und #palpatabreve (kurzes Betatschen).
In den Beiträgen auf den sozialen Medien läuft zehn Sekunden lang eine Stoppuhr, während die Frauen und Männer in die Kamera schauen und intime Bereiche ihres Körpers berühren. Den Anfang machte der für seine Rolle in «The White Lotus» bekannte italienische Schauspieler Paolo Camilli (36).
Zahlreiche Influencer taten es ihm gleich. Eine schrieb beispielsweise: «10 Sekunden, die zu einem Leben voller Albträume, Unsicherheiten, Angst und Misstrauen werden.» Weiter prangert sie den Staat sowie das Schulsystem an, das die Jugendliche hätten schützen sollen, es aber nicht taten.
Influencerinnen melden sich
Auch Chiara Ferragni (36), Model und Italiens grösste Influencerin (29,4 Millionen Follower), solidarisierte sich in einem Video mit der Jugendlichen. Die Protestierenden sind sich einig: Sexuelle Belästigung bleibt sexuelle Belästigung – egal wie kurz oder lang der Übergriff dauert.
Auch das Opfer des Übergriffs kann das Urteil kaum fassen. «Die Richter fassen das als Scherz auf? Für mich war das kein Scherz», so die Schülerin der Zeitung «Corriere della Sera». Sie habe die Hände des Hauswarts mehr als deutlich gespürt. Als wäre das nicht schon schlimm genug, fühle sie sich nun nach dem Freispruch des Mannes doppelt betrogen – von ihrer Schule und vom Rechtssystem. (dzc)