Nichts mit Freispruch
Ex-Vatikan-Finanzchef Pell bleibt in Haft

Der wegen Kindesmissbrauchs verurteilte frühere Vatikan-Finanzchef George Pell muss in Australien im Gefängnis bleiben. Ein Gericht in Melbourne hat die Berufung des 78-jährigen Kurienkardinals am Mittwoch abgelehnt.
Publiziert: 21.08.2019 um 01:40 Uhr
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Aktualisiert: 21.08.2019 um 10:56 Uhr
Muss in Haft bleiben: Der früher Vatikan-Finanzchef George Pell (78)

George Pell (78) bleibt in Haft. Der Oberste Gerichtshof in Melbourne (Australien) bestätigte am Mittwoch eine Verurteilung wegen Missbrauchs von zwei minderjährigen Chorknaben aus erster Instanz. «Er wird seine sechsjährige Haftstrafe weiter absitzen», sagte Richterin Anne Ferguson. Pell kann damit frühestens 2022 entlassen werden. Es gilt als wahrscheinlich, dass der Fall vor dem High Court, Australiens oberstem Gericht, landet.

Pell hatte auf einen Freispruch gehofft. Die Vorwürfe weist er zurück. Das jüngste Urteil nahm er ohne grosse Regung auf.

Als Finanzchef war Pell unter Papst Franziskus jahrelang praktisch die Nummer drei in der Hierarchie der katholischen Kirchenstaats. Wegen der Missbrauchsvorwürfe liess er das Amt dann jedoch ruhen und kehrte aus Rom nach Australien zurück. Schliesslich wurde er im März als ranghöchster Geistlicher in der Geschichte der katholischen Kirche wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen verurteilt. Das Urteil des Geschworenengerichts erging einstimmig.

Chorknaben in Kathedrale missbraucht

Die Vorwürfe reichen in die Jahre 1996/97 zurück, als Pell gerade Erzbischof von Australiens zweitgrösster Stadt Melbourne geworden war. Nach einem Gottesdienst in der St-Patrick's-Kathedrale soll er sich an zwei Chorknaben vergangen haben, die erst 13 Jahre alt waren. Einen der Jungen zwang er demnach zum Oralsex. Zudem soll ihn Pell später abermals bedrängt haben. Von den damaligen Knaben lebt nur noch einer. Der 35-Jährige war im Prozess der entscheidende Belastungszeuge.

Pell wollte dieses Urteil nun mit Verweis auf Verfahrensfehler aufheben lassen. Zudem argumentierte die Verteidigung, dass es dem Geistlichen schon wegen der Bischofsgewänder unmöglich gewesen wäre, die Jungen in so kurzer Zeit zu missbrauchen. Der Supreme Court – das höchste Gericht des Bundesstaats Victoria – sah dies jedoch anders. Die drei Berufsrichter lehnten die Berufung ab. Die Entscheidung erging mit einer Mehrheit von 2:1.

Australien knüpft Ehrenorden ab

Australien entzieht dem verurteilten Kardinal nun einen 2005 für den ausserordentlichen Einsatz zugunsten der katholischen Kirche im Land verliehenen Ehrenorden. Dies kündigte der australische Premierminister Scott Morrison nach Bekanntwerden des Urteils am Mittwoch bei einer Pressekonferenz an.

Der Fall Pell ist in Australien und darüber hinaus seit jeher umstritten. Die Fürsprecher behaupten, dass der prominente Kardinal zum Sündenbock für die Missbrauchsskandale der katholischen Kirche insgesamt gemacht werden solle. Ein erster Prozess in Australien war geplatzt, weil sich die Geschworenen nicht einigen konnten. Die Vorsitzende Richterin des Supreme Court, Anne Ferguson, meinte: «Man kann sagen, dass dieser Fall die Gemeinschaft geteilt hat.»

Die Richterin wies jedoch Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Hauptbelastungszeugen zurück. Der Mann habe im Prozess stets gewirkt «wie jemand, der die Wahrheit sagt». Pell nahm das Urteil mit steinerner Miene zur Kenntnis. Nach fünf Monaten Gefängnis war dem 78-Jährigen jedoch anzusehen, dass ihm die Haftstrafe zu schaffen macht. Nach dem Urteil wurde er von Polizeibeamten abgeführt.

Pell wendet sich mit Brief an Anhänger

Wahrscheinlich ist nun, dass Pell vor Australiens oberstes Gericht zieht, den High Court. Der Vatikan hatte nach dem Urteil im März angekündigt, abwarten zu wollen, bevor er über weitere Konsequenzen entscheidet. Der Supreme Court bestätigte auch die Entscheidung, dass Pell frühestens in drei Jahren eine vorzeitige Haftentlassung beantragen kann. Er wäre dann 81 Jahre alt.

Anfang des Monats hatte sich der Kardinal mit einem handgeschriebenen Brief an seine Anhänger gewandt. «Mein Glaube an unseren Herrn – wie Eurer – ist eine Quelle der Stärke», heisst es darin. «Das Wissen, dass mein kleines Leiden guten Zwecken dienen kann, indem man es mit dem Leiden Jesu verbindet, gibt mir Sinn und Richtung.» Die Justiz prüft nun, ob Pell damit gegen Haft-Auflagen verstossen hat. (SDA)

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